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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 13.1902

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Commichau, Felix: Luxus und Raum-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6713#0193

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184

INNEN-DEKORATION.

als Schwäche zu erkennen, taucht häufig als will-
kommenes Rettungs-Mittel die Kostbarkeit des
Stoffes an sich auf. Mir ist nun eine Anzahl von
modernen Schöpfungen bekannt, die wie jenes
erwähnte Schrank-Möbel eine unglückliche Ehe
zwischen Form und Stoff darstellen, in der der Stoff
die bessere Hälfte ist, und gegen die die Form in
ihrer Aermlichkeit ganz besonders abfällt. Ich
erinnere mich einer treffenden Aeusserung, die ich
einst in einem Räume, der trotz kostbarer Materalien
einen primitiven Stall-Karakter aufwies, von einem
Manne hörte, der das Herz anscheinend auf dem
rechten Flecke hatte: »Hier ist Kapital versoffen!«
»Der Luxus sitzt eben im Holze!« erwidert da wohl
der Künstler mit schlauvvichtiger Miene ... Spottet
seiner selbst und weiss nicht wie . . .

*

Baillie Scott's Kunst steht mit der Moderne
in Deutschland nicht gerade im engsten Zusammen-
hange. Welche von beiden am Weitesten ist,
welche die Grössere und Entwickeltere ist, darüber
lässt sich streiten. Ich bin entschieden der Ansicht,
dass sich in dem, was die führenden Männer unserer
Renaissance-Bewegung geschaffen haben, gegen-
über der englischen Kunst, unter deren Haupt-Ver-
tretern Baillie Scott mit in erster Reihe steht, im
Grossen und Ganzen ein Fortschritt verkörpert. In
einem Punkte aber stehen die Unserigen fast ohne
Ausnahme noch gegen die Briten, und besonders
gegen Baillie Scott zurück: Das Wesen des Luxus,
dem sie doch Alle im Grunde dienen, vermögen
sie nicht im gleichen Maß wie Jene künstlerisch zu
krystallisieren. Schauen wir dagegen auf Scott:
Selbst die Reproduktionen seiner Räume, die er
im K.'sehen Hause zu Mannheim geschaffen, obgleich
sie doch nur ein Abbild der Wirklichkeit sind, lassen
auf den ersten Blick erkennen, dass er in der
angedeuteten Richtung ganz besonders Meister ist.
Ihnen haftet keine verlogene Bescheidenheit an;

offen ist in ihnen die Verbannung jeder Not,
die Macht angedeutet, die ihr Werden ermöglichte,
und nicht mit den Mitteln des geblähten Protzen.
Es ist von höchstem Interesse, zu beobachten, mit
welcher Weisheit Scott Form und Kostbarkeit
überall zusammenwirken lässt, um jene von Vor-
nehmheit durchdrungene Schönheit zu erreichen,
die weder mit exzentrischer Laune, noch mit mehr
oder weniger billigen Effekten etwas zu thun hat.
Diese überlässt er Jenen, unter deren Händen die
Raum-Kunst zu einer Uebersetzung des Variete-
Couplets in's Formale geworden ist. Er trägt kühn
zur Schau, was er vermag: das aber ist eben das
Geheimnis der Scott'schen Kunst, das dieses Zur-
Schau-tragen nicht als Selbstzweck wirkt, sondern
uns feinere, höhere Eindrücke übermittelt. Nicht
zum Mindesten, glaub' ich, liegt es darin, dass das
formale Element bei ihm nicht an dem Aeusseren
seiner Gegenstände Halt macht, dass der Künstler
die Stoff-Veredelung bis ins Innerste seiner Möbel
hineinträgt. Es ist ein Genuss, nicht allein für's
Auge, wenn man beim Oeffnen seiner schönen
Schränke entdeckt, dass auch in ihrem Innern die
gleiche Liebe zur Schönheit waltet, dass auch dort
noch Form und Stoff nicht vernachlässigt sind.
Die Durchführung dieses Prinzips schlägt ein prole-
tarisches Element, das unseren Luxus-Möbeln leider
noch häufig anhaftet, völlig aus dem Felde und
verinnerlicht damit den Luxus ganz ungemein.

Das was die Scott'sche Kunst wohl am stärksten
von derjenigen unterscheidet, die unter Führung
von van de Velde, Behrens, Riemerschmid und
Anderen als die fortgeschrittenste Deutschlands be-
zeichnet werden kann, ist ihre Stellung zum Schmuck-
Prinzipe und zum Naturalismus im Ornamente.
Doch darüber ein andermal. Wir werden wahr-
scheinlich noch vor Ende dieses Jahres weitere
Schöpfungen Scott's in einem Sonder-Hefte vor-
führen können. kelix commichau—darmstadt.
 
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