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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 13.1902

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Schmidkunz, Hans: Dekorations-Kunst und Täuschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6713#0234

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2?6

INNEN-DKKORATION.

GRAFIN GELDERN-KGMONT— HERLIN.

Ecksekrank in rotem Mahagoni-itolz. AtisgeJ lihrt von Zetäer l'latken—Berlin,

Grundsätzen der Täuschung nichts. — Ein recht-
winkeliger Raum wird von uns meistens so aus-
gefüllt, dass die Richtungslinien der Möbel und
anderer Füllungen den Umfassungslinien parallel
laufen. Besonders die Biedermeierzeit war in solchen
biederen Parallelismen gross. Geben wir dagegen
diesen Richtungslinien (also durch bedachtsames
Schiefstellen von Möbeln u. s. w.) eine Neigung
gegen die Umfassungslinien, so erzielen]wir dadurch
schon vor allem andern den Eindruck einer grösseren
Mannigfaltigkeit. Dazu kommt noch folgendes.
Solche schräge Linien können uns unter Umständen
den Eindruck machen, als führten sie uns durch
die Umfassung des Raumes hindurch ins Weite.
(Man zeichne ein Rechteck und in ihm sowohl
schräge wie auch seitenparallele Einien; jene er-
scheinen leicht als blosse Abschnitte längerer, das
Ganze durchquerender Einien, diese hingegen als
im Rechteck beschlossen). Modernere Regisseure
verlassen denn auch manchmal die alte Gepflogen-
heit, Versatzstücke und Statisten-Gruppen parallel
oder senkrecht zum Proszenium zu stellen und
überhaupt die Szenerie geradeaus zu bauen; sie er-
reichen dadurch den Anschein einer grösseren Weite
des Raumes und unter Umständen auch einer

grösseren Volksmenge. (Vergleiche die Szenerie des
ersten Aktes von Wagner's »Meistersingern«). In
der Dekorations-Kunst unserer Wohnräume und
dergl. lassen sich vielleicht durch krumme Linien
solche Wirkungen in noch höherem und mannig-
faltigerem Maß erreichen. Zum Teil mag die Vor-
liebe für einen modernen »Schlangenstil« auch
darauf zurückgehen. Längst bekannt sind die
Effekte einer geschickten Konstruktion und male-
rischen Ausfüllung von Kuppeln oder kuppel-
ähnlichen Decken. — Jener Biedermeierstil leistete
in übel angebrachten Täuschungen manches mehr
Komische als Ernste. Hierher gehören z. B. seine
»Würfelmuster« und ähnlichen Spielereien. Seine
Tapetenmuster würden, daraufhin angesehen, wohl
manche Belehrung über Geschmacklosigkeit er-
geben. Dabei fehlte ihm häufig das Gefühl für die
Verschiedenheit dessen, was der Wand, und was
dem Fussboden, was einer Tischdecke und dergl. an-
gemessen ist. Wir wollen auf keinen absonderlichen
Perspektiven umhergehen oder auch nur unsere
Gegenstände auf ihnen aufstehen. Wir verlangen
mit Recht von den wagerechten Flächen unserer
Räume, zumal nach unten hin, auch den Schein
einer Festigkeit und elementaren Schlichtheit; wir
 
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