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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 48.1937

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Michel, Wilhelm: Freude am Holz
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https://doi.org/10.11588/diglit.10944#0017

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INNEN-DEKO RATION

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FREUDE AM HOLZ

enn im Winter die Bäume im Forst gestürzt sind,
angeschnitten von der Trummsäge und dem
schallenden Axtschlag, dann sitzt Holz in langen
Stößen am Fuhrweg und lacht mit den hellen Schnitt-
flächen. Weiß leuchten die Scheite der Hainbuchen
und der Espe, fast wie Papier, rötlich die saftige
Buche, edel und elfenbeinern die Eiche. Eine Gabe
für sich ist der Duft, den frisch geschnittenes Holz
verbreitet. Der Hauch aromatischer Öle, der von der
Fichte ausgeht, läßt uns an Holzspielzeug unterm
Tannenbaum denken; herber, fruchtiger, fast wie
Wein, duftet die Buche, und der Geruch der Eiche
läßt die Gerbstoffe der Eichenlohe erkennen, die sich
mit der Erinnerung an goldene Herbsttage verbinden.

Männlich und lebensvoll ist das Holz, wenn es uns
dann im Innenraum umgibt als getäfelte Wand, als
wuchtige Balkendecke, als fester Eichentisch mit
drahtigen Rippen, die einen derben Stoß mit dem
Humpen vertragen. Ein Holzpfosten unter den Trag-
balken gestemmt, das ist viel schöner als die steinerne
Säule, weil er gleichsam noch etwas von der aktiven
Kraft in sich trägt, die sich vordem im lebendigen
Baum nach oben gereckt hat. Aber bei aller trotzigen
Starre weiß das Holz vom Menschen, indem es der
berührenden Hand, dem Arm, dem Rücken, mit

Wärme begegnet, wo der Stein sich eiskalt verhält.
Was es uns noch mehr annähert, das ist die Wachs-
tumsspur, die Aderung, die es immer zeigt, ob es sich
als Tafel zierlich aufschlägt an Schrank und Truhe,
ob es sich in Brettern am Fußboden nebeneinander
legt oder als Pfosten den Tisch trägt, Holz atmet und
arbeitet immer, und damit ist es uns auch innerlich
tief verwandt. Selbst die Holzskulptur, die unsre Vor-
fahren so sehr liebten und so meisterlich handhab-
ten — wie anders ist ihr Wesen als das der Stein-
skulptur! Wie redet es uns vertraulich und verwandt
an, wenn wir durch das Gesicht eines gotischen Holz-
heiligen die Fasern laufen sehen, die geheime Lebens-
flamme gleichsam, die den Baum durchlief!

Die schönste Geschichte, die es vom Holze gibt,
dem Werkstoff, dem nutzbar gewordenen Abkömm-
ling des Baumes, hat der große Philosoph und Phy-
siker Lichtenberg erzählt. Er ging einmal, wie er
schreibt, unschlüssig im Zimmer hin und her, be-
schäftigt mit einer Sache, in der er sich nicht ent-
scheiden konnte. Da fiel sein Blick auf einen derben
Holzstab, der ihm gerade mit einer darauf gerollten
Radierung geschickt worden war. Und es begab sich,
daß der gedrungene, feste Prügel seinen Geist »mit
Energie lud«, und er faßte seinen Entschluß. — w. M.
 
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