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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 48.1937

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Jaumann, Anton: Das Teppichmuster
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https://doi.org/10.11588/diglit.10944#0065

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DAS TEPPICHMUSTER

Von einem Läufermuster verlangen wir, daß es in
beiden Richtungen gesehen gut wirkt. Sogar von
der Seite gesehen, sollen die Formen verständlich sein.
Stehende Bäume und ähnliche stehende Figuren eig-
nen sich demnach wenig als Motiv für Läufer.

Von diesem einfachen Fall ausgehend ist von der
Teppichmusterung zu fordern, daß sie Richtunghaben
muß, das heißt Orientierung nach den Achsen, daß
aber keine Richtung einseitig überwiegen darf. Der
gute Teppich hat kein Oben und Unten, was für den
Wandteppich eine unerläßliche Vorbedingung dar-
stellt. Trotzdem ist der liegende Teppich nicht rich-
tungslos. Es sind nur mehrere Richtungen, die ihnbe-
herrschen, mehrere Gesichtspunkte, von denen aus er
zu betrachten ist. In jeder derbeidenAchsen, von oben
undunten, vonrechts und links aus gesehen muß seine
Musterung gleich gut, gleich verständlich sein. Die
Motive breiten sich nach allen vier Richtungen gleich-
mäßig aus, sie wachsen nicht nach oben, hängen nicht
nach unten. Sie leben in der Fläche.

Das gilt mit Vorbehalten. Einzelne Teile des Tep-
pichs haben eine überwiegende Richtung: So herrscht

1937. II. 2

imRandeine umlaufende Bewegung vor, in denEcken
tritt zuweilen eine diagonale Bewegung nach der
Mitte zu auf. Aber auch für diese Teile ist zu fordern,
daß sie von den Achsen aus gut verständlich sind.

Quadratische Teppiche sind selten, Langformate
ebenfalls. Das bedeutet, daß in der weitaus überwie-
genden Zahl die Längsachse wohl überwiegt, aber
nicht so, daß die Querachse bedeutungs- und kraftlos
würde. Selbst achsenlose Zeichnungen sind nicht rich-
tungslos, die Längs- und Querrichtung herrscht sozu-
sagen unter der Oberfläche, Zeichnungen ohne Achse
und ohne bestimmte Richtung mit »freischwebender«
Musterung, wie man das früher einmal nannte, sind
unserm Gefühl irgendwie unheimlich. Sie werden von
Zeit zu Zeit gewagt, bald aber wieder verlassen.

Die Überbetonung der Achsen befriedigt ebenso-
wenig. Solche Teppiche erscheinen starr, leer, zu ar-
chitektonisch. Was das Auge wünscht, ist eine be-
stimmte, wohltuende Gliederung und Ausrichtung des
Musters, die doch nicht zu schroff in Erscheinung tritt.
Ein Spiel mit dem strengen Gesetz, Freiheit innerhalb
der Ordnung, ganz wie im Leben des Volkes. - A. J.
 
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