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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 48.1937

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Popp, Alexander: Baugesinnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10944#0127

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BAUGESINNUNG

VON ARCHITEKT PROF. ALEXANDER POPP-W1EN

Die Anleihen an alle Stilarten der Vergangenheit,
internationales modisches Bauen, sie haben das
Werden einer einheitlichen Baugesinnung, die in
ihrer letzten Entfaltung zu einem neuen Stil führen
könnte, hintangehalten.

Die Abwandlung der Formensprache vergangener
Jahrhunderte mußte sich erschöpfen, da ihr der innere
Gehalt fehlte und die neuentstandenen Bauten in
einem erborgten Kleid erschienen. Wer wollte daran
zweifeln, daß die Vergangenheit uns Lehrmeisterin
sein kann, aber nur dann, wenn wir in ihren Werken
die ewigen Gesetze der Gestaltung erkennen und
nicht, wenn wir ihren äußeren Formenschmuck nach-
ahmen. Immer hat die Baukunst Zeugnis von der
Größe und kulturellen Höhe eines Volkes gegeben.

Von der Gebundenheit der Stilarchitektur führte
der Weg über die Ungebundenheit der Sezession zur
neuen Sachlichkeit. Es ist kein Zufall, daß an der
Wiege der Sezession vielfach Künstler standen, die
nicht Fachleute des Bauens waren, sondern Maler
und Kunstgewerbler, denn es war nach der Erstar-
rung der Formen doch wieder nur ein äußerer Wandel

1937. IV. 1

des Gestaltens, ohne tiefere Gesinnung, eine Form-
gebung der Form halber, und darum auch die große
Rolle des Ornaments, darum auch die Kurzlebigkeit
dieser Epoche.

Die Technik stand an der Wiege der Sachlichkeit;
ein Zurückfinden zur Funktion des Bauwerkes ist
grundlegend für den neuen Weg, den die Baukunst
ging. In der Erkenntnis der Grundelemente des
Bauens, im Verhältnis der Massen zueinander, ob
beim einzelnen Bauwerk oder innerhalb des Stadt-
und Ortsbildes oder zur Landschaft, in der Gebunden-
heit von Wandfläche und Öffnung, in der material-
gerechten Verwendung der Baustoffe an Ort und
Stelle, liegt zweifellos der Anfang zu einer einheit-
lichen Baugesinnung. Aber zu bald wurde aus dieser
notwendigen Primitivität erster Baugestaltung eine
Modeerscheinung. Wieder wurden die Äußerlich-
keiten übernommen, und das Bauen schien so ein-
fach geworden, daß jeder intellektuelle Stümper
meinte, er wäre Baukünstler, wenn er das Vermögen
besitze, Pappschachteln mit Flachdächern zu planen
und sie als international moderne Bauten auszugeben.
 
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