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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Kultur und Diogenes
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0160

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INNEN-DEKO RATION

»SITZECKE IM SPIELZIMMER« BEZÜGE UND VORHÄNGE IN RÖTLICH-BRAUNEN UND GELBLICHEN TÖNEN

KULTUR UND DIOGENES

Ein besonderes Problem hat dem Kulturmenschen
seit alter Zeit der Besitz gestellt. Es ist das Pro-
blem, wie der Besitz verhindert werden könne, den
Besitzer zu verschlingen, sein Menschentum zu stö-
ren. Im weiteren Sinne ist es das Problem der Zivilisa-
tion überhaupt, das sich an den Besitz knüpft.
Diogenes sah einmal einen reichen Bürger, der sich
von seinem Sklaven die Sandalen an die Füße binden
ließ. Warnend rief er ihm zu: »Nicht eher bist du ein
wahrhaft Reicher, als bis du gewitzigt wirst und ein-
siehst, daß dieser Sklave da dir die Arme lahm machen
wird.« Ein antikes Gegenbeispiel zu einem modernen
Fall: vor wenigen Jahren ging durch die Zeitungen
die Nachricht, in einer amerikanischen Stadt hätte
sich eine Gruppe reicher Leute verabredet, an mehre-
ren Tagen der Woche auf die Benutzung des Autos zu
verzichten; denn einige der bedauernswerten Millio-
näre hatten einen Schwund ihrer Beinmuskulatur
festzustellen gehabt. Nun ja, das ist die bekannte

Sache mit der Verweichlichung. Aber seit je ist noch
bestimmter die Gefahr eines Mißverhältnisses zwi-
schen dem Besitz und dem geistigen oder sittlichen
Menschenwert bemerkt worden. Aus der Sorge um
diese Gefahr ist vieles von den asketischen Tendenzen
entstanden, die zu allen Zeiten und bei allen Völkern
hervorgetreten sind, von Diogenes bis zu Johann dem
munteren Seifensieder, von den griechischen Zyni-
kern bis zu modernsten Kulturflüchtlingen. Sie gehö-
ren zu dem Schatten, den die Kultur auf ihrem Wege
wirft. Andererseits zählen diese asketischen Tenden-
zen zu den Zeugnissen für die höhere Natur im Men-
schen; sie kann sich, besonders in Frühzeiten, oft nur
dadurch behaupten, daß sie sich mißtrauisch gegen
den Besitz verhält und die Zivilisation von sich weist.
Der griechische Geist hat die bedenkenlose Art, in der
sich die Perser und die Orientalen überhaupt auf den
zivilisatorischen Apparat einließen, immer als fremd-
artig empfunden. Und im späten Rom lehnt die epiku-
 
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