über Baukunst.
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italienisch und frcmzösisch zu bnuen. — UebernU kehrt dns Auge, um
Beruhigung und Stillstand zu sinden, nach dem Stephansthurme zurück,
gleitet sehr gleichgültig über sonstige hohe Punkte, so wie über die un-
schöne und zusammengewürfelte Häusermasse der kaiserlicben Burg. Selbst
der sehr schöne Volksgarten, mit seinem Theseustempel und dem großen
Burgthore, verhindert nicht, daß der Blick immer wieder die Spitze des
Stephansthurmes sucht. Wie würde Wien ohne ihn aussehen? — Ent-
schieden von weitem wie ein großes Dorf. — Seine Erfcheinung am
Horizont erwartet mit Sehnsucht der in seine Heimath zurückkehrende
Wiener, an ihn knüpfen sich eine Unsumme volksthümlicher Sagen,
Sprichwörter und Gleichnisse, und der ächte Wiener würde jeden Anhalts-
punkt an seine Vaterstadt verloren zu haben glauben, wenn er den gelieb-
ten Stephansthurm missen sollte. —
Jch kann mir denken, wie unbehaglich der ganzen Bevölkerung ge-
wesen sein muß, als die vorhandene steinerne Spitze wegen Baufälligkeit
herunter genommen werden mußte, um neu aufgerichtet zu werden. —
Von der Karlskirche, so kostbar sie ist, spricht selten jemand. —
Jn der Alrstadt hat ungeachtet aller Modernisirung der alterthümliche
Character nicht verwischt werden können. Die vielen Kirchen liegen mei-
stentheils an offnen, aber kleinen Plätzen, und unterbrechen die Häuser-
massen, so wie die vielsachen Monumente, den Heiligen errichtet, fehr an-
genehm. Auch sieht man auf der Hcrrengasse zwei Reihen großer Pal-
läste, größtentheils im italienischen Baustyl des einc^io cenlo erbaut,
welchen man hier wie sonst nirgends in Deutschland bis heute am mei-
sten sestgehalten hat, worauf die immerwährende Verbindung mit Jtalien
den meisten Einfluß hatte, fo wie daß vorzugsweise italienische Baumeister
hiec beschäftigt wurden. Die Palläste selbst bemerkt man fast nicht, un-
geachtet ihrer Größe; da die Straße kaum fo breit ist, daß 2 Wagen
sich bequem ausweichen können. Damit es aber auch nicht an Gebäuden
im griechischen Stpl fehle, wovon ja jede Stadt jetzt eine Probe aufzu-
weisen haben muß, wenn sie in die Reihe der fashionablen treten will,
hat man das Burgthor mit seinen beiden Seitengebäuden und den The-
seustempel im Volksgarten in — altdorischer Ordnung erbaut. —
Jch kann nicht sagen, wie sonderbar mir immer eine solche Formen-
mischung vorkommt, welche in Nichts ein natürliches Entstehungselement
hat, als etwa im akademisch gebildeten Geschmacke des Baumeisters, oder
noch häusiger in dem Kunstsi'nn affektirenden Eigensinne dec Bauherrn.
Dem Theseustempel, welcher eine Copie von dem zu Athen ist und
zur Aufnahme der Cannovaschen Gruppe, wie Theseus den Minotaurus
erschlägt, bestimmt war; ist nebenbei ein kleines Unglück geschehen. Er
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italienisch und frcmzösisch zu bnuen. — UebernU kehrt dns Auge, um
Beruhigung und Stillstand zu sinden, nach dem Stephansthurme zurück,
gleitet sehr gleichgültig über sonstige hohe Punkte, so wie über die un-
schöne und zusammengewürfelte Häusermasse der kaiserlicben Burg. Selbst
der sehr schöne Volksgarten, mit seinem Theseustempel und dem großen
Burgthore, verhindert nicht, daß der Blick immer wieder die Spitze des
Stephansthurmes sucht. Wie würde Wien ohne ihn aussehen? — Ent-
schieden von weitem wie ein großes Dorf. — Seine Erfcheinung am
Horizont erwartet mit Sehnsucht der in seine Heimath zurückkehrende
Wiener, an ihn knüpfen sich eine Unsumme volksthümlicher Sagen,
Sprichwörter und Gleichnisse, und der ächte Wiener würde jeden Anhalts-
punkt an seine Vaterstadt verloren zu haben glauben, wenn er den gelieb-
ten Stephansthurm missen sollte. —
Jch kann mir denken, wie unbehaglich der ganzen Bevölkerung ge-
wesen sein muß, als die vorhandene steinerne Spitze wegen Baufälligkeit
herunter genommen werden mußte, um neu aufgerichtet zu werden. —
Von der Karlskirche, so kostbar sie ist, spricht selten jemand. —
Jn der Alrstadt hat ungeachtet aller Modernisirung der alterthümliche
Character nicht verwischt werden können. Die vielen Kirchen liegen mei-
stentheils an offnen, aber kleinen Plätzen, und unterbrechen die Häuser-
massen, so wie die vielsachen Monumente, den Heiligen errichtet, fehr an-
genehm. Auch sieht man auf der Hcrrengasse zwei Reihen großer Pal-
läste, größtentheils im italienischen Baustyl des einc^io cenlo erbaut,
welchen man hier wie sonst nirgends in Deutschland bis heute am mei-
sten sestgehalten hat, worauf die immerwährende Verbindung mit Jtalien
den meisten Einfluß hatte, fo wie daß vorzugsweise italienische Baumeister
hiec beschäftigt wurden. Die Palläste selbst bemerkt man fast nicht, un-
geachtet ihrer Größe; da die Straße kaum fo breit ist, daß 2 Wagen
sich bequem ausweichen können. Damit es aber auch nicht an Gebäuden
im griechischen Stpl fehle, wovon ja jede Stadt jetzt eine Probe aufzu-
weisen haben muß, wenn sie in die Reihe der fashionablen treten will,
hat man das Burgthor mit seinen beiden Seitengebäuden und den The-
seustempel im Volksgarten in — altdorischer Ordnung erbaut. —
Jch kann nicht sagen, wie sonderbar mir immer eine solche Formen-
mischung vorkommt, welche in Nichts ein natürliches Entstehungselement
hat, als etwa im akademisch gebildeten Geschmacke des Baumeisters, oder
noch häusiger in dem Kunstsi'nn affektirenden Eigensinne dec Bauherrn.
Dem Theseustempel, welcher eine Copie von dem zu Athen ist und
zur Aufnahme der Cannovaschen Gruppe, wie Theseus den Minotaurus
erschlägt, bestimmt war; ist nebenbei ein kleines Unglück geschehen. Er