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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Dvořák, Max: Italienische Kunstwerke in Dalmatien
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0012
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Max Dvorak Italienische Kunstwerke in Dalraatien

heimgesuchten, verarmten und in den letzten Jahrzehnten von Antiquaren ausgeraubten
Lande das meiste verloren, doch einige Werke von nicht geringer Bedeutung haben sich
doch erhalten und sollen in diesen Blättern allmählich veröffentlicht werden.

I. Bildnis des Bischofs Tomaso Negri
von Lorenzo Lotto

In dem eine halbe Wegstunde von Spalato entfernten
Franziskanerkloster Paludi, das, am Meeresstrande ge-
legen, an Böcklinsche Phantasien erinnert, befindet sich
ein nicht ganz lebensgroßes Bildnis eines hohen Geistlichen
in vorgeschrittenen Jahren, das auf der Rückseite folgende
Inschrift trägt:

LAVRENTIVS LOTVS 1527. Ritratto del Vescovo
Tomaso Negri. Appartiene al Convento delle Paludi Spalato.

Der Malername und die Jahreszahl stammen nach
den Schriftzeichen aus dem XVI., die Angabe über den
Dargestellten aus dem XVIII. oder der ersten Hälfte des
XIX. Jhs. Beide Teile der Inschrift können als glaub-
würdig bezeichnet werden.

Tomaso Negri war ein Spalatiner. Als Vikar des
Bischofs von Spalato nahm er am Konzil von Lateran
teil. Im Jahre 1319 wurde er Bischof von Scardona und,
nachdem die Stadt von den Türken erobert wurde, im
Jahre 1524 Bischof von Trau. Doch bereits nach einem
Jahre verzichtete er auf diese Würde zugunsten seines
Neffen Kristofan Balistic und zog sich in das Paludi-
kloster zurück.

Tomaso war ein gelehrter Theologe und ein be-
kannter Schriftsteller, Historiker und Dichter. Als Theo-
loge schloß er sich jener neotomistischen Richtung an,
die sich zu seiner Zeit in Venedig entwickelte und die
eine der Hauptgrundlagen des positiven Inhaltes der
„ . , , -,. , „ _ , . Gegenreformation war. Doch auch sonst beruhte seine

Fig. 2 Grabmal des Bischofs Tomaso Negri ö

im Kloster Paludi bei Spalato Bildung ganz auf venezianischen Grundlagen. Sein ganzes

Leben hindurch unterhielt er Beziehungen zu veneziani-
schen Kreisen, noch kurz vor seinem Tode sendet er dem Senat der Serenissima ein Lob-
gedicht auf den Dogen, wie Sanudo berichtet.

Und venezianisch waren auch seine Kunstaufträge. Wie venezianische Edelleute, deren
Selbstbewußtsein von der posthumen Lobrede nicht übertroffen werden konnte, ließ sich
Bischof Tomaso bereits im Jahre 1527 ein Grabdenkmal im Paludikloster errichten. Ein
Bildnis des Bischofs schmückt die einfache Stelle und läßt, obwohl eine derbe Spalatiner
Steinmetzenarbeit, doch ziemlich deutlich die Gesichtszüge des Bischofs erkennen, die die-
selben sind, die wir aut dem Bilde finden. Der Künstlername unterliegt wohl auch keinem
Zweifel. Wer hätte ihn in Dalmatien im Cinquecento erfinden sollen und warum? Lottos
 
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