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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Dvořák, Max: Italienische Kunstwerke in Dalmatien
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0014
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Max Dvorak Italienische Kunstwerke in Dalmatien

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Name war nicht so berühmt, daß man eine absichtliche Fälschung vermuten könnte. Doch
man bedarf gewiß nicht der Inschrift, um zur Überzeugung zu gelangen, daß das Bild von
Lotto gemalt wurde, zu dessen schönsten Porträts es jeder Kenner zählen wird. Die Uber-
einstimmung ist so evident und weitgehend, daß es nicht notwendig ist, einzelne Belege
aufzuzählen. Nicht minder leicht ist es, das Gemälde in Übereinstimmung mit dem ange-
führten Datum in Lottos Entwicklung einzufügen, über die wir durch Berensons ausgezeich-
nete Monographie so gut unterrichtet sind.

Und doch scheint es auch neue Gesichtspunkte für die Beurteilung dieser Entwicklung
zu erschließen. Man könnte Lotto als den inpressionabelsten Künstler der großen veneziani-
schen Cinquecentomalerei bezeichnen. Alle großen venezianischen Meister von Alvise Vivarini
an bis Tizian und Tintoretto beeinflussen Lorenzo, doch auch fremde Schulen und Meister:
die Raffaelschule in der Komposition und Bewegung, Correggio im Kolorit und Licht- und
Schattenbehandlung. Das Bild im Paludikloster erinnert in der Erfindung an niederländische
Arbeiten und in der zeichnerischen Durchbildung an Dürer. Allmählich überzeugen wir uns,
daß die Rolle des Vermittlers zwischen der niederländischen und italienischen Kunst, welche
Vasari Antonello de Messina zugedacht hat, ein Mythus war, zur Erklärung der starken Be-
ziehungen zwischen der italienischen und nordischen Malerei erfunden, die mit Antonello wreder
begonnen noch geendet haben. Ja, man kann das Problem ganz allgemein fassen. Es gab
zwischen Italien und der Kunst diesseits der Alpen nie eine chinesische Mauer, sondern einen
ununterbrochenen Austausch der neuen Errungenschaften, dem im einzelnen nachzugehen,
obwohl er zu den wichtigsten Tatsachen der Kunstgeschichte gehört, bisher nur ausnahms-
weise versucht wurde. Wie bereits in den Achtzigerjahren gleichzeitig in Umbrien und in
"Venedig im Kolorit und in der künstlerischen Funktion der Farben, wie um die Wende des
Jahrhunderts in dem Verhältnisse der figuralen Komposition zur landschaftlichen Darstellung
in der venezianischen Malerei niederländische und deutsche Einflüsse den Künstlern neue
Bahnen gewiesen haben, so beginnt im zweiten Viertel des XVI. Jhs. der kompositioneile
Realismus der nordischen Schulen allmählich auf verschiedenen Wegen nach Italien einzu-
dringen und wird in der Entwicklung der italienischen Kunst zu einer dauernden Neben-
strömung, die in den Werken der sogenannten Naturalisten ihren Höhepunkt gefunden hat.

Bei Lorenzo Lotto waren die zisalpinen Einflüsse freilich dem Gesamtcharakter seiner
Kunst gegenüber nur von untergeordneter Bedeutung, wohl haben sie aber dazu beigetragen,
unserem Gemälde einen eigenartigen Reiz zu verleihen, der auf dem Versuche beruht, die
Vorzüge der italienischen und nordischen Porträtmalerei zu verbinden.

Fig. 3 Hof des
Klosters Paludi
bei Spalato
 
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