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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0042
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22

Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich unmittelbar, daß die Kalenderbilder in Trient
weit größere Ubereinstimmungen mit den nordischen Zyklen aufweisen als mit den italie-
nischen. Gerade in jenen charakteristischen, von uns als dem nordischen strengeren Klima
entsprechend gekennzeichneten Monatsbeschäftigungen zeigt sich volle Analogie. So findet
sich hier wie dort die Saat im April, die Grasernte im Juli, die Getreideernte im August,
die Weinlese im Oktober34).

Was die übrigen Monate betrifft, so zeigen sich beiden Gruppen gegenüber mannigfache
Abweichungen vom geläufigen Schema. Insbesondere für die Schneeballschlacht im Jänner
und das Turnier im Februar ist bis zum Anfange des XV. Jhs. ein Analogon nicht nach-
zuweisen. Fast überall spielt sich der Jänner im geschlossenen Räume ab, beim Mahl oder

Fig. 8 Avio. Wandmalerei im Kastell

beim brennenden Kaminfeuer. Auch sonst führen uns nur vereinzelte Ausnahmen in eine schnee-
bedeckte Winterlandschaft. Das Februarblatt des Gebetbuchs von Chantilly35) und einige nieder-
ländische Kalenderillustrationen, die in enger Anlehnung an letzteres entstanden sind. In

Baptisterium zu Parma usw. Man hat sie verschieden ge- tionDÜMMT.er, Monumenta Germaniae) mit unserer Gruppe II

deutet, als Hirten, der das Vieh auf die Weide ruft (Strzy- die größte Übereinstimmung zeigen. Ich lasse die betreffen-

gowski a. a. O.), oder als Allegorie des blasenden März- den Stellen aus dem zweiten Gedichte folgen:

windes. Vereinzelt findet sich auch als März ein bewaffneter Juli: Quintiiis falcem collo dum vectat acutam

Krieger, eine Darstellung des Mars, nach dem der Monat Hubida pratorum rura secare cupit.

benannt ist. Den byzantinischen Zyklen ist diese Figur ge- August: Sextiiis segetes quibus horrea repleal unco
läufig. Im Abendlande befindet sie sich an der Markus- Succidit chalibe sive metit stipulas.

kirche in Venedig, das ja am stärksten unter byzantinischem September: Semina Septimber sulcis inmittit apertis
Einflüsse stand. Doch ist hier Mars verbunden mit dem Quae pausis aequa lance iacit digitis.

Hornbläser, der zu seinen Füßen kniet. Ein Krieger mit Oktober: Vitibus Octimber. botros decerpit et uvas
einem Pferd ist auch an der Fassade des Domes von Parma In nova sub nudo qui pede musta fluant.

dargestellt. Die Gedichte sind nachweislich in Karolingischer Zeit

3}) Trotzdem ich im Rahmen dieser Arbeit nicht auf in Salzburg entstanden, bieten also einen neuen Stütz-

die sehr zahlreiche mittelalterliche Kalenderliteratur eingehen punkt für unsere Hypothese.

kann, möchte ich doch darauf hinweisen, daß die beiden 3?) Paul Durrieu: Les tres riches Hcures du Duc

Carmina Salisburgensia (Poetae latini aevi carolini II. Edi- de Berry, Paris 1904.
 
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