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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Kurth, Betty: Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0103
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8o

Betty Kurth Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

Hinterkopf lang- war. Auch finden sich die langherabhängenden Zöpfe der Frauen hier
wie dort (Juni [Taf. VII], September [Taf. IX i], Runkelstein [Fig. 43], Teppich [Fig. 45],
Skizzenbuch, Taf. 1, 2, 20, 25 der Publikation von Neuwirth) oder das offene mit Kränzen
oder einem kranzartigen Bandputz geschmückte Haar, die Tracht der Unverheirateten, das
besonders im Braunschweiger Skizzenbuch häufig wiederkehrt.

Schließlich sei als besonders charakteristisch die merkwürdige Kopfbedeckung der
Frauen hervorgehoben, der spitzwinklige, dachartige Hut, die sogenannte „Schnute", die
auf allen besprochenen Denkmälern wiederholt dargestellt ist (Fig. 43 und 45) und allem
Anscheine nach eine spezifisch deutsche Tracht repräsentiert. Neuwirth verweist auf die
im XIV. Jh. entstandene Limburger Chronik, in der uns diese Mode beschrieben wird184).
Sie findet sich bereits auf Darstellungen der Willehalm Handschrift von 1387 185) im Kunst-
historischen Hofmuseum zu Wien. Einen solchen Hut nun trägt eine der Frauen auf dem
Junibild in Trient (Taf. VII). Diese Tatsache, daß eine Tracht, welche in den letzten Jahr-
zehnten des XIV. Jhs. in Deutschland und wie wir gesehen haben, auch in Südtirol getragen
wurde, noch, wenn auch nur vereinzelt, auf unseren Malereien wiederkehrt, also zur Zeit
der Entstehung der Fresken noch nicht ganz veraltet war186), diese Tatsache beweist uns,
daß nur ein geringer Zeitraum jene älteren Werke von unseren Bildern trennt. Denn trotz
des langsamen Modewandels jener Zeit ist kaum anzunehmen, daß eine Mode, und insbe-
sondere eine Damenhutmode, länger als 10 Jahre in demselben Territorium getragen wurde.

Wir gelangen somit auch auf diesem Wege zu einer relativen Datierung
ins erste Jahrzehnt des XV. Jhs.

Eine Bestätigung erfährt diese Annahme noch durch einen Vergleich mit einig-en
deutschen Handschriften, die den unseren ähnliche Modetypen aufweisen und in deren
chronologische Nähe wir mithin unser Werk setzen müssen. Es ist dies vor allem der in
das Jahr 1405 datierte Bellifortis, eine Anweisung zur Kriegskunst von Konrad Kyeser
von Eichstett in der Universitätsbibliothek in Göttingen187). Hier treten bereits die langen,
losen, bis zum Boden herabwallenden, oft pelzbesetzten Ärmel auf und die am Boden nach-
schleppenden, weiten Mäntel, wie sie auf den Darstellungen des Januar und Juni in Trient
erscheinen. Ausgezaddelte Kleider mit langen, offenen Ärmeln kommen auch im Schachbuch
des Jacobus de Cessolis in der Münchner Hof- und Staatsbibliothek vor, das in das Jahr 1407
datiert ist188). Die langen Ärmel finden sich sogar schon — hier allerdings neben älteren
Modetrachten — in der für König Wenzel von Böhmen ausgeführten goldenen Bulle Kaiser
Karls IV. in der Wiener Hofbibliothek (Kod. 338), die um das Jahr 1400 vollendet wurde.

In Frankreich, welches bereits damals in allen Moden für ganz Westeuropa tonangebend
war, treten dementsprechend dieselben Trachten um einige Jahre früher auf. Ich hebe aus
der Fülle der Beispiele nur einige hervor. Die Figuren auf dem goldenen Rössel in Alt-
ötting180), einem Werk, das aller Wahrscheinlichkeit nach am Hofe Karls VI. ausgeführt
wurde und sicher vor dem Jahre 1404 entstanden ist100), zeigen Übereinstimmung in den

,84) Wyss: Die Limburger Chronik. Deutsche Chro- ls7) Schultz.: Deutsches Leben im XIV. u. XV. Jh.

niken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters IV. B. Taf. XXIII I u. Taf. XXIII II.

Hannover 1883. Die Stelle ist.zitiert bei Neuwirth: Das l88) Schultz: op. cit.

Braunschweiger Skizzenbuch pag. 11. 189).Abg. Anton Springer: Handbuch der Kunst-

185) Schultz: Deutsches Leben im XIV. u. XV. Jh. geschichte 8. Auflage. II. Fig. 623. Vergl. Louis Courajod:

Band I, Taf. XIV und XV. Lecons. Paris 1901, Band II, pag. 130.

ls0) Wir haben keinen Grund anzunehmen, daß Kunst- 10°) Karl VI. machte das Rössel am Neujahrstage

ler in jener Zeit veraltete Modetrachten darstellten, insbe- 14°4 seiner Gemahlin Isabella zum Geschenk.

sondere nicht in der Monumentalmalerei.
 
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