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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Pollak, Oskar: Die Decken des Palazzo Falconieri in Rom und Zeichnungen von Boromini in der Wiener Hofbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.18127#0154
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Oskar Poi.i.AK Die Decken des Palazzo Falconieri in Rom usw. 115

Fig. 71 S. Carlo alle quattro fontane in Rom. Wölbungsnische über dem Hauptaltar

geschehen ist. Bei allen vier Entwürfen aber erscheinen die merkwürdigen Ausstrahlungen
von der Kreisperipherie nach innen, wie wir sie bei Decke I und II und bei der Wölbung
von S. Carlo alle quattro fontane gesehen haben. Im Entwürfe B haben diese Gebilde fast
die gleiche Form angenommen wie bei Decke II: über den abgebundenen Bogenstreifen ist
eine wechselnde Reihe von Palmetten und Blumenbüscheln aufgesetzt. Bei C endlich sind
in die sphärischen Zwickel Rosettenblumen eingesetzt analog wie bei Decke II; in den Pen-
dentifs des Entwurfes auf A sitzen Vögel und Cherubim, ähnlich den Falken, die die Zwickel
der Decke I schmücken. Da wir es bei diesen Zeichnungen gewiß nicht mit Nachzeichnungen
zu tun haben, sondern mit sicheren Originalentwürfen, so können wir auf Grund dieser zahl-
reichen Ubereinstimmungen mit Gewißheit sagen, daß wir in ihnen Studien für die beiden
Falconieridecken und für die Kuppel von S. Carlo alle quattro fontane vor uns haben.

Aus diesen Zeichnungen erfahren wir aber noch etwas sehr Interessantes: jedesmal ist
in der Kreisfläche etwas gezeichnet, das den freien Luftraum vortäuschen soll: ein fliegender
Wappenvogel oder strahlende christliche Embleme. Ähnlich muß auch die Bemalung der
Deckenmittelteile von I und II gewesen sein. Die Palmetten- und Rosettenausstrahlungen
dürften auch dort gegen den freien Luftraum gerichtet gewesen sein, ähnlich wie sie sich
in der plastischen Ausführung an der Kuppel von S. Carlo in die Luft auflösen.

Doch die kompositioneile Ubereinstimmung der beiden ersten Decken mit S. Carlo
und mit den vier Zeichnungen darf uns hier nicht genügen. Wir müssen versuchen, auch
im Detail die persönliche Handschrift des entwerfenden Künstlers aufzuspüren. Bei Decke 1
fällt sofort die phantasievolle Art auf, wie die großen Rosetten in enger Anlehnung an die

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