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Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]
Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes — 5.1911

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Burg, Hermann: Einige Urkunden zur Geschichte der Gemäldegalerien im Anfang des XIX. Jahrhunderts
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195

HERMANN Burg Einige Urkunden zur Geschichte der Gemäldegalerien im Anfang des XIX. Jhs.

I96

Im Jahre 1805 war der Direktor der kaiserlichen
Galerie im Belvedere Rosa gestorben. Der Oberst-
kämmerer Graf Wrbna ersuchte nun den damaligen
Sekretär der Akademie Josef von Sonnenfels um ein
Gutachten wegen Besetzung der Direktorstelle an
der Belvederegalerie (21. März 1806). Das Gutachten
dieses ausgezeichneten Gelehrten, der sich durch
zahreiche Arbeiten über wirtschaftliche und ästhetische
Fragen einen bedeutenden Namen gemacht hatte,
ist uns erhalten geblieben. Es ist erstaunlich, mit
welcher Klarheit und Präzision Sonnenfels hier Ge-
sichtspunkte für die Wahl eines tauglichen Galerie-
leiters aufgestellt hat, die auch heute in einem solchen
Falle nicht wesentlich anders und besser formuliert
werden könnten, und dies zu einer Zeit, in welcher
wohl keiner der Direktoren der damaligen Samm-
lungen, meistens wenig bedeutende Maler, die von
Sonnenfels verlangten Erfordernisse zu erfüllen im-
stande war, und in welcher die moderne kritische
Kunstforschung, die doch eigentlich erst den Typus
des Sonnenfelschen Galerieleiters ermöglicht hat,
noch in ihren Anfängen war.

Allmählich haben sich zwar die von Sonnen-
fels vor einem Jahrhundert aufgestellten Prinzipien
bei der Anstellung von Galerieleitern durchgesetzt.
Der Kunsthistoriker Waagen, der im Jahre 1830 zum
Direktor der Berliner Galerie ernannt wurde, war
wohl einer der ersten Galerieleiter in modernem
Sinne. Jedoch sollte es noch viele Jahrzehnte, noch
bis gegen Ende des XIX. Jhs., dauern, bis die An-
stellung von wirklichen Fachmännern als Galerie-
direktoren, besonders von Sammlungen moderner
Kunst, zur allgemeinen Regel wurde. Noch in der
Mitte der Siebzigerjahre des verflossenen Jahrhun-
derts klagt Woltmann in seiner Biographie Waagens
darüber, daß überall in Deutschland die hergebrachte
törichte Gewohnheit, mittelmäßige Künstler zu
Galerieleitern zu ernennen, bis auf diese Stunde zum
offenbaren Nachteil der Kunstsammlungen fortbesteht.
„Es ist ein naives Vorurteil, fährt er fort, daß der
Künstler, der in einer bestimmten Kunst produziere,
auf ihrem Gebiete auch ohne weiteres jene rein
wissenschaftlichen Kenntnisse besitzen müsse, zu
denen doch nur ein ganzes Leben hingebender,
spezieller Studien führen kann. Wenn man einen
Maler, weil er eben Maler ist, zum Galeriedirektor
macht, so ist das gar nichts anderes, als wenn man
zum Leiter eines Gebärinstitutes nicht eine wissen-
schaftliche Autorität in der Geburtshilfe, sondern
eine Frau, die wiederholt geboren hat, berufen wollte.

Die Verwaltung einer öffentlichen Sammlung ist
keine Sinekure, sie erfordert eine gründliche, um-
fassende kunstwissenschaftliche Bildung, dazu Er-

fahrung und ernsten Willen zu hingebender Tätigkeit.
Diese Bildung fließt dem Künstler während des Produ-
zierens doch nicht von selbst zu, sie nachträglich zu
erwerben wird er nur in seltenen Fällen Neigung
und in noch selteneren Fällen die Fähigkeit und die
Möglichkeit haben. Es ist eine naive Vorstellung,
daß solche Studien während des produktiven künst-
lerischen Schaffens so nebenbei gemacht werden
können. Es mag nicht unmöglich sein, daß ein
Künstler noch in späteren Jahren zu der Empfindung
kommt, nicht sowohl produktive Kraft als vielmehr
rezeptives Interesse habe ihn zur Kunst geführt, und
daß er infolge davon sich von dem eigenen Schaffen
abwendet, um nur in historischen Kunststudien seine
Befriedigung zu suchen. Aber selbst bei echter Be-
gabung ist es dann schwer, die versäumte Vorbildung
nachzuholen, über die Einseitigkeit des Standpunktes,
welche bei dem Künstler unvermeidlich ist, hinauszu-
kommen." Nun haben zwar solche Gedankengänge,
die erst durch die neuere Erkenntnis vom Wesen
der Kunstwissenschaft und ihrer tiefgründigen Ver-
schiedenheit vom künstlerischen Schaffen gezeitigt
wurden, wahrscheinlich Sonnenfels bei Abfassung
seines Gutachtens ferngelegen. Ihm war schon in-
sofern die Richtung vorgeschrieben, als nur Künstler
in der Vorschlagsliste enthalten waren. Jedoch ist
auffallend, daß auch Sonnenfels auf die Künstler-
schaft der Bewerber recht wenig Gewicht gelegt
hat. Seine Forderung, daß der Direktor der Galerie
Maler sein müsse, gründet sich, und zwar mit Be-
tonung, nur auf den Umstand, daß der Direktor des
Belvedere die kopierenden Akademieschüler anzu-
leiten habe; sie ist also nur auf die damaligen Ver-
hältnisse und die Person des Akademiedirektors
Füger, den Sonnenfels in erster Linie vorschlug, zu-
geschnitten. Zudem war Füger, was allerdings für
viele Künstler seiner Zeit bezeichnend, in den Kunst-
wissenschaften wohl beschlagen und in jeder Be-
ziehung eine sehr bedeutende Persönlichkeit. Er be-
warb sich um die Stelle hauptsächlich, weil er am
Abend seines Lebens stand, kränklich war und hoffen
konnte, in dem damals wenig beschwerlichen Amte
eines Leiters der Belvederegalerie Muße zu künst-
lerischen Arbeiten zu finden. In seiner Eingabe an
den Protektor der Akademie, Grafen von Cobenzl
vom 25. Juli 1806 führt er lebhaft darüber Klage, daß
er als Direktor der Akademie „durch Verwaltungs-
geschäfte" wochen- und monatelang in der Aus-
übung seiner Kunst abgehalten worden sei. Er möchte
den Akademiedirektor »von allen denen lästigen
Sorgen befreyt sehen, welche das Kunststudium
hindern und öfters ganz verdrängen, denn kein
Künstler, der imstande ist, diesem Platz mit Ehren
 
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