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28 H. For.Niisrcs Studien zur Entwicklungsgeschichte der Architektur und Plastik des XV. Jhs. in Dalraatien

sogar so weit, die ganze Wiedergeburt antiker Bauweise nach Dalmatien zu verlegen. Es
sind dies wie gesagt die einheimisch-dalmatinischen Forscher, in deren Auffassung auch der
nationale Patriotismus einen maßgebenden Faktor bildet.

Im nachfolgenden ist der Versuch gemacht, die einzelnen Denkmäler in chronologischer
Aufeinanderfolge stilistisch zu untersuchen und ihre Stellung in der Gesamtentwicklung zu
ermitteln. Die so auf induktivem Wege gewonnenen Resultate werden dann geeignet sein,
die vorerwähnten, aprioristisch deduzierten zu ersetzen. Zu solchem Ziele kann uns aber
nur die streng historisclie Methode führen, die uns zwingt, für jedes einzelne Denkmal das
vorhandene Quellenmaterial — womöglich im Urtext — zusammenzutragen und kritisch
zu sichten.

Um aber den Zusammenhang der Darstellung nicht zu zerreißen, ist alles, was sich auf
Quellen und Quellenkritik bezieht, im Anhang vereinigt. Die Quellen sind dort in Regesten-
form verzeichnet, bisher nicht ediertes oder unzulänglich publiziertes Quellenmaterial ist im
Wortlaut angeführt. Im Texte sind den Abschnitten über die einzelnen Bauten die sicheren
Baudaten der Ubersichtlichkeit halber vorausgestellt.

In der Natur eines Landes, dessen reich gegliederte Küste mit zahlreichen guten Häfen
dem Seeverkehr offen steht und das gleichzeitig durch einen hohen Gebirgszug von seinem
Hinterlande getrennt ist, liegt es, daß sich die Einflüsse mannigfacher als anderswo be-
gegnen und durchkreuzen. Es kann uns daher nicht wundernehmen, wenn die Phänomene
der Kunst nicht in ruhiger Abfolge einander ablösen, sondern ein buntes Durcheinander
aufweisen, das zunächst so verwirrend wirkt, daß es unmöglich scheint, eine klare Entwick-
lungsfolge zu erkennen, wie denn auch tatsächlich der vorhandenen Literatur ein dies-
bezüglicher Versuch bisher noch nicht geglückt ist.

Soll unsere Untersuchung auf sicherem Grunde fußen, so müssen wir uns vorerst er-
innern, wie sich die Entwicklung der dalmatinischen Kunst in der unmittelbar vorangehenden
Periode vollzogen hat.

Wir begegnen im Lande einer Reihe teilweise sehr bedeutender romanischer Bauten.
Diese zeigen ein so eigenartiges Gepräge, daß sie sich in keine der bekannten Stilprovinzen
einfügen ließen, ohne daß unaufgeklärte Reste zurückblieben. In den Bauten dieser
Periode — S. Grisogono und der Dom in Zara und die Kathedrale von Traü — erkennen wir
trotz der Beibehaltung des Rundbogens, sowohl in der Konstruktion als auch in der archi-
tektonischen Gliederung, in den gestreckten Proportionen und endlich in zahllosen Details
soviel gotisches Empfinden, daß wir diese Bauten mit demselben Recht oder Unrecht als
gotisch wie als romanisch bezeichnen können. Sie gehören eben nicht in die Gruppe
lombardisch-fränkischer Denkmäler eingereiht, deren Wesen diese Termini entsprechen,
sondern sie sind Glieder einer andern Entwicklungsreihe, deren Ursprung — wie uns
Dr. von Kutschera kürzlich gezeigt hat — in Unteritalien, vor allem in Apulien zu suchen ist.

Der Einfluß dieser Stilrichtung reicht in Dalmatien über das XIV. Jh. nicht hinaus.
Ebenso wie in Toskana verschwindet allmählich der unteritalische Einfluß in der Kunst,
zugleich mit dem politischen, als die Kulturblüte Siliziens etwa zwei Generationen nach
dem Tode Friedrich II. für immer erloschen war. Bauten, die nach dieser Zeit entstanden,
die Dome in Arbe und Curzola zeigen schon starke Einschläge aus dem Kunstkreise des
neuen Macht- und Kulturzentrums der Adria, Venedigs4).

4) Vereinzelte Entlehnungen aus der venezianischen Kunst sind natiirlich auch in den älteren Bauten hin und
wieder nachweisbar.
 
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