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Fritz Saxt, Eine deutsche Kopie von Mantegnas Grablegung B. 3 in Klosterneuburg
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Gefühl des festen Stehens der Statue vermittelt.
Und auch die Falten sind ganz anders. Wohl haben
beide eine im letzten Grund mit der gotischen Plastik
zusammenhängende Vorliebe für die kleine Falte,
allein das Grundverhältnis von Gewand und Figur
bei Mantegna ist, daß es organisch den Körper be-
gleitet, dessen Linien betont, bei dem nordischen
figur das prachtvolle Standmotiv, das für Mantegna
sicher die Hauptsache war, wie berauscht er sich
an den Linien des flatternden Mantels, dem er noch
dazu ein helles Gelb gibt1).
Der Unterschied der Typen gehört mit zum
Signifikantesten. Man betrachte den Kopf der hinter
Maria Knienden, die die Hände faltet. Kein Zweifel,
Fig. 64 Grablegung Christi in der Stiftsgalerie von Klosterneuburg
Künstler jedoch ist das Gewand selbständig, ist es
etwas Unorganisches. Dafür tritt uns hier etwas
entgegen, was bei Mantegna lange nicht so betont
ist, die Vorliebe für gewisse Linien, z. B. die scharfen
Linien der Ränder, denen mit feinstem Empfinden
nachgespürt wird, an denen jede leiseste Krümmung
entdeckt werden soll. Und dasselbe, was der Ver-
gleich dieser beiden Figuren ergibt, ergibt dann
auch der Vergleich der anderen. Wie wenig interes-
siert etwa den nordischen Künstler bei der Mittel-
daß Mantegnas Vorbild hiefür eine antike Tragöden-
maske war. An Stelle dessen beim nordischen
Künstler derTypus einer Frau aus seiner Umgebung,
wobei das „bloß Menschliche“, wie Wölfflin es aus-
drückt, nocli durch die Zeittracht wesentlich betont
wird. Und auch den Sarkophag mit der klassischen
Profilierung und der Inschrift hat der deutsche
l) Leider ist gerade der Mantel besonders schlecht
erhalten.
Jahrbuch des kunsthist. Instituts der k. k. Z. K. für Denkmalpflege 1914. Beiblatt
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Fritz Saxt, Eine deutsche Kopie von Mantegnas Grablegung B. 3 in Klosterneuburg
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Gefühl des festen Stehens der Statue vermittelt.
Und auch die Falten sind ganz anders. Wohl haben
beide eine im letzten Grund mit der gotischen Plastik
zusammenhängende Vorliebe für die kleine Falte,
allein das Grundverhältnis von Gewand und Figur
bei Mantegna ist, daß es organisch den Körper be-
gleitet, dessen Linien betont, bei dem nordischen
figur das prachtvolle Standmotiv, das für Mantegna
sicher die Hauptsache war, wie berauscht er sich
an den Linien des flatternden Mantels, dem er noch
dazu ein helles Gelb gibt1).
Der Unterschied der Typen gehört mit zum
Signifikantesten. Man betrachte den Kopf der hinter
Maria Knienden, die die Hände faltet. Kein Zweifel,
Fig. 64 Grablegung Christi in der Stiftsgalerie von Klosterneuburg
Künstler jedoch ist das Gewand selbständig, ist es
etwas Unorganisches. Dafür tritt uns hier etwas
entgegen, was bei Mantegna lange nicht so betont
ist, die Vorliebe für gewisse Linien, z. B. die scharfen
Linien der Ränder, denen mit feinstem Empfinden
nachgespürt wird, an denen jede leiseste Krümmung
entdeckt werden soll. Und dasselbe, was der Ver-
gleich dieser beiden Figuren ergibt, ergibt dann
auch der Vergleich der anderen. Wie wenig interes-
siert etwa den nordischen Künstler bei der Mittel-
daß Mantegnas Vorbild hiefür eine antike Tragöden-
maske war. An Stelle dessen beim nordischen
Künstler derTypus einer Frau aus seiner Umgebung,
wobei das „bloß Menschliche“, wie Wölfflin es aus-
drückt, nocli durch die Zeittracht wesentlich betont
wird. Und auch den Sarkophag mit der klassischen
Profilierung und der Inschrift hat der deutsche
l) Leider ist gerade der Mantel besonders schlecht
erhalten.
Jahrbuch des kunsthist. Instituts der k. k. Z. K. für Denkmalpflege 1914. Beiblatt
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