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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0174
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Dr. Friedrich Kenner.

Vorgang, dass er auch geübt wurde, als im Jahre 1581 die sächsischen Bilder eingelangt waren; da diese
durchaus Goldschrift tragen, obwohl sie weit überwiegend nicht Kaiser und Könige sondern Herzoge
und Kurfürsten darstellen, hätte das hierarchische Princip als durchbrochen und hinfällig angesehen
werden sollen. Dennoch wurde es aufrecht erhalten. Dies ist für die Anschauungen jener Zeit charak-
teristisch und stimmt auch mit dem System überein, nach welchem von altersher die Sammlung ge-
ordnet war.1

Kaiser und Könige.

1. Totilas, König der Ostgothen,2

einer der Nachfolger des Witiges und für kurze Zeit Wiederhersteller des Gothenreiches in Italien. Um dieses
wieder zu dem Ansehen zu erheben, dessen es sich unter König Theoderich erfreute, bekämpfte er während
Beiisars Abwesenheit im Perserkriege dessen Unterfeldherrn und nahm den grössten Theil von Italien wieder
ein. Doch hinderte Beiisar, aus dem Oriente zurückgekehrt, die Einnahme von Rom, musste sich aber wegen
Unzulänglichkeit seiner Mittel auf die Defensive beschränken (544—549). Erst nach seiner abermaligen Ab-
berufung bemächtigte sich Totilas der Hauptstadt, verlor aber kurze Zeit darauf gegen Narses und seine Ver-
bündeten (Langobarden und Heruler) die entscheidende Schlacht bei Calles in Umbrien und starb an den erhal-
tenen Wunden in Caprea im Juli 552.

Aufschrift in Gold: TOTILA • REX • GOT TORVM. Brustbild links, fast von vorne, mit braunen Augen
und langem braunen Vollbart, die Krone mit Lilienzacken und Edelsteinen auf dem Reif besetzt, über
dem dunklen Unterkleid einen rothen Mantel mit mächtiger Schliesse aus Goldscheiben und gedrehter
Spange, auf der rechten Achsel der dicke, untere Theil eines Speeres. — Katalog Nr. 199.3 — Copirt
nach dem Bildniss der Sammlung Giovio. +

2. Karl der Grosse, König der Franken und römischer Kaiser,

der (wahrscheinlich am 2. April) 742 geborene älteste Sohn des Königs Pipin des Kurzen und der Königin Ber-
trada, trat die Regierung 768 in dem grössten Theile des Frankenreiches, 771 nach dem Tode seines Bruders
Karlmann mit Uebergehung von dessen Söhnen im gesammten Reiche an und schuf dieses zu einer das ganze
christliche Abendland umfassenden Monarchie um. Die Unterwerfung des Langobardenkönigs Desiderius
machte ihn nach einem dreijährigen Kriege (772—774) zum Herrn von Ober- und Mittelitalien, wozu 787 auch
das Herzogthum Benevent kam. Ein zwanzigjähriger Krieg mit dem letzten freien, noch heidnischen Germanen-
stamme, jenem der Sachsen, in den Jahren 775—785 und 793—804 dehnte sein Reich bis nahe an die nörd-
lichen Meere aus und beseitigte das Hinderniss dauernder Christianisirung der Germanen. Die Absetzung des
mächtigen Herzogs von Baiern (und Kärnten), des letzten Agilolfingers Thassilo, der nach Selbstständigkeit
strebte, und die Bekriegung und Vernichtung seiner Verbündeten, der Avaren (791 — 799), hatten die Eroberung
ihres Landes bis zur Theiss, die Huldigung der Slaven in Mähren und die theilweise Unterwerfung von Böhmen
(805, 806) zur Folge. Endlich rückten verschiedene Heereszüge gegen die Sarazenen in Spanien (785, 8o3,
811) die Grenzen des Reiches bis zum Ebro hinaus. Ein siegreicher Kampf mit den Dänen (811) endigte deren
Raubfahrten zur See und sicherte die Nordgrenze. Zu Weihnachten 800 wurde Karl der Grosse, der bisher nur
Patricius und als solcher Schirmherr der Kirche gewesen war, von Papst Leo III., den er gegen eine Erhebung
des römischen Adels geschützt und wieder eingesetzt hatte, zum römischen Kaiser gekrönt. Nicht minder
als durch seine Siege war er durch seine kräftige Verwaltung, durch seine Gesetze und die Pflege der Wissen-
schaften angesehen; sein Ruhm bewog ebenso den Chalifen Harun al Raschid im fernen Bagdad, ihm das Eigen-
thum über die heiligen Stätten in Jerusalem zu übergeben und seit 797 Geschenke und Gesandtschaften mit ihm

1 Die Abweichungen von der Regel werden zum Theile aus Unsicherheit in der Kategorisirung, zum Theil aus Un-
kenntniss des Schriftenmalers zu erklären, zum Theil endlich absichtlich geschehen sein. So werden die wohl später aus
München eingelangten Numern II, 18, lg, 28,88, 125, 129 Gold- statt Silberschrift erhalten haben mit Rücksicht auf die
inzwischen eingetroffenen sächsischen Bildnisse. Dagegen beruhen die Goldschriften Nr. 101, 140, 142 sowie die Oclschriften
Nr. 111, 112, i39 offenbar auf einem Irrthum des Schriftenmalers. Die Oelschriften 9, 10, 95 gehören den spätesten Er-
werbungen an, wenn sie überhaupt in Tirol entstanden sind; dagegen scheint die Goldschrift 99 und 104, die Silberschrift
133 und 151 absichtlich gewählt zu sein, um die damalige Ansicht von der hohen Bedeutung der Dargestellten, die für die
drei Letzteren noch heute getheilt wird, zum Ausdruck zu bringen.

2 Mit Totilas beginnen in der alten Anordnung der Sammlung die Bildnisse der Kaiser und Könige, welche dort
unmittelbar auf jene des Erzhauses folgen. Von ihnen sind hier nur die deutschen aufgenommen.

3 Die Katalognumer bezieht sich auf die beschreibenden Verzeichnisse der Ambrasersammlung von Alois Primisser
(1819, S. I07f.) und Eduard Freiherrn v. Sacken (1855, II, S. 22f.).

4 Elogia virorum bellica virtute illustrium, 1596, p. 12.
 
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