Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

DOI Heft:
Abhandlungen
DOI Artikel:
Boeheim, Wendelin: Die Zeugbücher des Kaisers Maximilian I., [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0422
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3go

Wendelm Boeheim.

meister, der in seinem Bereiche dem Kunstler die nöthigen Auskünfte ertheilen konnte. Es war, nach
dem Jahre der Zahlung zu urtheilen, vermuthlich Jörg Seelos, welcher in der That im April 1517
von Wien, wo er seit 1516 verweilte, wieder nach Innsbruck kam, um daselbst später dem Peter Lay-
minger bei dem Giessen von Geschützen behilflich zu sein.'

Gehen wir einen Schritt weiter, so gewahren wir, dass Wolfgang Reisacher durch seine Fa-
milie in Beziehungen zum Fache der Büchsenmeisterei gestanden war. Ein Christof Reysacher, in
dem wir ganz wohl einen Bruder oder doch nächsten Verwandten Wolfgangs erblicken können, ist um
1504 kaiserlicher Büchsenmeister zu Graz. König Maximilian ordnet in einem Schreiben ddo. Augs-
burg 14. März dieses Jahres an, ihm den ausständigen Sold von drei Quatembern mit 52 Talenten zu
bezahlen.2

So weisen im Gegensatze zu den lange Zeit gehegten Vermuthungen, welche sich im Verlaufe
der Zeit selbst zu Annahmen und Behauptungen zuspitzten, alle urkundlichen Nachrichten auf den
Innsbrucker Briefmaler Wolfgang Reisacher hin, einen einheimischen Künstler von Talent und
Fähigkeit, dessen künstlerische Leistung augenscheinlich nur durch die gebotene Raschheit der Voll-
endung beeinträchtigt wurde. Namentlich in den Randverzierungen tritt oft inmitten von schablonen-
haft behandelten Ranken eine originelle Idee dazwischen, die uns überrascht. Fassen wir den Stil-
charakter ins Auge, so finden wir den Meister ebensosehr von der deutschen wie von der italienischen
Renaissance beeinflusst; ein Einfluss der niederrheinischen Schule tritt nur vereinzelt auf. Bei diesen
Wahrnehmungen ist einem Tiroler Meister die malerische Ausschmückung der Zeugbücher wohl eher
zuzuschreiben als dem fränkischen Meister Nicolaus Glocken ton, der nahezu unser Jahrhundert
hindurch als der Fertiger der Aquarelle galt. 1

Sehen wir ganz ab von dem erwiesenen Einflüsse Jörg Kölderer's auf den Künstler der Zeug-
bücher, so müsste doch in der stattlichen Anzahl von Regesten, welche bisher gesammelt wurden, eine
Beziehung des Nicolaus Glockenton (gest. 1560!) oder seiner zahlreichen Sippe zum kaiserlichen
Hause von etwa 1490—1519 zu constatiren sein. Nirgends aber finden wir auch nur den Namen
erwähnt. Erst 1553 erscheint ein Albrecht dieses Namens als Glasmaler, ein Gabriel als Maler gar
erst 1583 als für den Hof beschäftigt erwähnt. Wer könnte schliesslich auch annehmen, dass der
Kaiser die Gegenstände seiner Zeughäuser in Nürnberg habe malen lassen? es war dieses selbst von
Innsbruck aus schon schwierig genug.3

Wenden wir uns schliesslich zu dem Schicksale der Zeugbücher nach ihrer Vollendung bis zum
jetzigen Zeitpunkt. Nicht nur die Datirung im II. Bande: 1517 sondern auch die Daten der letzten
Zahlungen an Reisacher weisen darauf hin, dass die Vollendung kaum viel früher erfolgt sein dürfte,
als der Kaiser aus dem Leben schied; ja ich glaube sogar, dass derselbe die Vollendung gar nicht
erlebte. Von 1520 an verlautet nun durch lange Zeit nichts mehr über das umfangreiche Werk. Am
8. Mai 1522 ergeht zwar von Wien aus der Befehl Ferdinand I. an den Zeugmeister Ulrich Leisser:
»von den inventarien aller unser zeugheuser deiner Verwaltung abschriften zu handen unserer rate
unserer Niderösterreichischen raitkamer fürderlich zu schicken, damit wir, was in jedem derselben zeug-
heuser für zeug verhanden sei und davon an die ende daran fursehung noth ist, zu jeder zeit zu
verordnen wissen«.* Allein dieser Befehl bezieht sich sicher nicht auf die reich ausgestatteten Zeug-
bücher.

Erst viele Jahrzehnte nach der erfolgten Vollendung erhalten wir eine erste Kunde über unsere
Zeugbücher, und zwar in dem Verlassenschaftsinventare des Erzherzogs Ferdinand von Tirol vom

1 Vgl. Jahrbuch II, Reg. 1202, 1262.

2 Vgl. Jahrbuch III, Reg. 2554.

3 In diese Irrung, Nicolaus Glockenton als Meister der Aquarelle der Zeugbücher anzugeben, verfällt auch Max Jahns
in seinem sonst so ausgezeichneten Werke »Geschichte der Kriegswissenschaften«, München und Leipzig 1889, I. Band,
S. 419. Die Zeugbücher werden daselbst mit den anderen erwähnten Codices, wenn auch nicht geradezu verwechselt, doch
im Hinblicke auf ihren Inhalt und ihre Ausdehnung zu sehr als im Einklänge befindlich angesehen, was, wie wir gesehen
haben, thatsächlich nicht der Fall ist.

4 Vgl. Jahrbuch III, Reg. 2698.
 
Annotationen