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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Suida, Wilhelm: Die Jugendwerke des Bartolommeo Suardi genannt Bramantino
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0008
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Die Jugendwerke des Bartolommeo Suardi, genannt Bramantino.

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samkeit nach der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts angehören und die Bramantino unmöglich nach
dem Leben hätte malen können.1 Zugleich gibt Vasari an, daß diese Bildnisse Raffael durch seine
Schüler kopieren ließ und daß diese Kopien dann von Giulio Romano an Paolo Giovio nach Como ge-
schenkt worden seien, wo Vasari sie wahrscheinlich sah. Ferner bewundert Vasari die Pietä, ein Fresco
über dem Tore der Kirche S. Sepolcro zu Mailand, viele Historien, ebenfalls al fresco im Hause des
Marchesino Ostanesia, in Zimmern und Loggien gemalt mit großer Kunst der Figurenverkürzung,
Stoffe aus der römischen Geschichte und begleitet von Dichtungen, wie er in der i. Ausgabe hinzufügt.
Sodann hat man ihm in damals schon verdorbenen Ställen nahe dem Schlosse vor Porta Vercellina
Malereien gezeigt, auf welchen Roßknechte, die ihre Pferde striegeln, zu sehen waren, so natürlich,
daß lebende Pferde mit den Hufen nach ihnen schlugen.

Eine Ergänzung zu diesen Ausführungen gibt Vasari dann in der Vita des Girolamo da Carpi.2
Er sagt, Bramantino, der die gute Art der Zeichnung (il buon disegno) in der Lombardei eingeführt
hätte, habe im Hofe der Zecca (Münzgebäude) zu Mailand die Geburt Christi, an der Zwischenwand in
der Kirche S. Maria di Brera die Geburt der Madonna, am Orgelschreine daselbst einige Propheten in
trefflicher Verkürzung sowie eine perspektivische Scheinarchitektur gemalt. Seiner Vorzüge als
Architekt gedenkend, beschreibt er ein im Besitze des Valerio Vicentino befindliches Skizzenbuch mit
Darstellungen antiker Gebäude und Grundrissen lombardischer Bauten, von denen Vasari selbst als
Jüngling einige abgezeichnet habe. Als weitere malerische Arbeiten Bramantinos in Mailand werden
sodann eine Madonna und zwei Propheten an der Fassade des Hauses des Herrn Giambattista Latuate
und vier Giganten an der Fassade des Hauses des Herrn Bernardo Scaccabarozzo genannt. Der Bau
der Kirche und der Sakristei von S. Satiro sowie eine Restaurierung der Kirche S. Ambrogio werden
noch dem Bramantino zugeschrieben. Daran schließen sich Ausführungen über die hohen Vorzüge
Bramantinos, der ganz unversehens zum Lehrer Bramantes von Urbino wird. Wichtiger und jedenfalls
auf gute Tradition zurückgehend ist die Notiz, welche sich in der Vita des Jacopo Sansovino findet,
daß dieser als junger Mann in Rom (in den ersten Jahren des XVI. Jahrhunderts) mit Signorelli, Pin-
turicchio, Perugino, Cesariano und Bramantino in freundschaftlichem Verkehre gewesen sei.3

Das Chaos, welches Vasari in betreff der Persönlichkeit Bramantinos angerichtet hatte, ward nicht
entwirrt durch die zusammenhangslosen, bisweilen sogar unter einander widersprechenden Behaup-
tungen, die der arme, blinde Giovanni Paolo Lomazzo der Mit- und Nachwelt übermitteln ließ.
Manches Interessante, ja Wichtige hatte sein Gedächtnis wohl noch aufbewahrt, doch wie oft mag es
ihn nicht getäuscht haben! Kleine Anekdoten oder genaue Berichte über einzelne Werke, mit denen
er in früheren Tagen als Maler in nähere Beziehung gekommen war, als er dies oder jenes zu kopieren
den Auftrag erhielt, mögen glaubwürdig sein; auf sie werden wir besonders eingehen und für sie
wollen wir dankbar sein, wenn uns auch zugemutet wird, sie aus einem Wust verschiedenartigster An-
gaben herauszulesen. Im ganzen steht bei Lomazzo die Person unseres Künstlers doch klarer da als
bei Vasari. Ist auch bezüglich der Ausführung einzelner Werke die Verwechslung mit Bramante sicher
zu behaupten, so betont er doch immer, daß Suardi Schüler des Urbinaten war, setzt also das zeitliche
Verhältnis beider zu einander ganz richtig an. Er weiß zu berichten von der Einfachheit und
Schlichtheit des Wesens unseres Künstlers, den man nicht selten aus seiner Werkstatt kommend mit
dem Pinsel hinter dem Ohre durch die Straßen habe wandern sehen, der so wie Dürer sich seines
schlichten Rockes nicht schämte. Manche Werke nennt und beschreibt Lomazzo, die der Künstler in
Mailand ausgeführt hatte, so Gemälde an dem Orgelschrein in S. Francesco sowie solche in S. Maria
di Brera, Fassadenmalereien an der Casa der Latuadi gegen Porta Beatrice sowie an einem Hause
gegen Porta Orientale (letztere in der Idea del Tempio als Werke Bramantes in Anspruch genommen),
weiter die auch von Vasari genannten Fresken im Stalle von Porta Vercellina; besonders wird er nicht

1 In diesem Widerspruche liegt die Wurzel aller späteren Verwirrung, welche Bramantino Suardis Persönlichkeit um-
hüllen sollte.

2 Vasari-Sansoni, vol. VI, pag. 511 f.

3 Ebenda, vol. VII, pag. 489.

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