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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 6.1891

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Bie, Oscar: Zur Geschichte des Haus-Peristyls
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https://doi.org/10.11588/diglit.37650#0017
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Bie, Zur Geschichte des Haus-Peristyls.

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selben Richtung sich fortbewegendes Lustwandeln verbiete, folglich könne der Hof
kein durchgehendes Peristyl haben, sondern nur einzelne Vorhallen, wie sie der
tirynther Hof zeigt, und daher würde auch der Ausdruck »die geradeüberliegende
Vorhalle« so zu verstehn sein, dafs eben einzelne Vorhallen unterschieden würden,
unter denen die dem Eingang gegenüberliegende — wie in Tiryns — die be-
deutendste sei. Ich möchte nicht so weit gehen. Vielleicht ist xo -pocjxmov
eben die ganze Säulenhalle des Peristylhofs; vielleicht dreht Protagoras immer
um, damit er dem Hippias mit seinen Leuten nicht zu nahe kommt — viel-
leicht auch, weil er nur so will — vielleicht endlich, weil Platon es dazu braucht,
um den weltmännischen Anstand seiner Begleiter hervorheben zu können,
welche es vermeiden trotz des Umdrehens in anderer Reihenfolge ihn zu
umgeben, als es der Takt verlangt. Das eine ist jedenfalls klar, dafs der Grundrifs
des Kalliashauses, der ja unmöglich nur ein Phantasiegebilde Platons ist, in einer
Entwicklungslinie mit dem homerischen, mit dem tirynthischen Haus liegt, indem
durch die gröfsere Betonung des Hofes die Halle in ihrer Bedeutung verschwindet
und, wozu in Tiryns bereits vorgearbeitet ist, um den Hof als Centrum sich Säulen-
hallen legen, als -poaxwa der weiter im Kreise herumliegenden Zimmer. Es ist vom
tirynther Hofe bis zum Ivalliashofe ein Schritt weiter geschehn zur Bildung des
Peristyls — ob wir uns aber hier schon ein volles Peristyl vorzustellen haben, wird
eine offne Frage bleiben müssen.
Das Hauptergebnis dieser Betrachtung ist die Thatsache, dafs der Grundrifs
des alten ägyptisirenden Herrscherpalastes der tirynther Periode, welcher sich ja
nach Mafsgabe der homerischen Dichtungen noch mehrere Jahrhunderte unverändert
erhielt, von der Entwicklung des historischen griechischen Wohnhauses nicht zu
trennen ist, sondern vielmehr in gerader Linie durch steigende Betonung der aüXnj
und sinkende Bedeutung des Megaron schliefslich sich zu dem Grundrifs des
griechischen Hauses umgewandelt hat, das uns Vitruv beschreibt und das für die
hellenistische Periode charakteristisch ist. Setzen wir für die tirynther Höfe reguläre
Peristyle und an die Stelle der Hallen die oeci, so erhalten wir das Vitruvsche Haus.
Entsprechend der palastartigen Ausbreitung des Grundrisses, wie sie erst wieder in
dieser Zeit auftritt, wird die Trennung der Männer- und Frauenwohnung, welche
stets in Griechenland Sitte war, mit derselben weiträumigen Parataxe durchgeführt,
die uns schon in Tiryns begegnete. Vitruv beschreibt uns zwei gesonderte Peristyl-
häuser mit separaten Eingängen, von denen das eine die dvopcuvrac, das andere die
‘l'uvaixojvi-u darstellt; ihre Verbindung wird nur ganz allgemein angegeben und der
speciellen Willkür überlassen, was manche Reconstruenten nicht genügend beachtet
haben. In einfacheren Häusern wird natürlich nach wie vor das obere Stockwerk
zum Frauenraum gemacht worden sein; so war es schon im Odysseushause und so
bezeugt es auch Lysias17 für die spätere Zeit.
Die hellenistische Männerwohnung in der Beschreibung des Vitruv vergegen-
wärtigt die letzte und höchste Form des Grundrifsschemas, in welchem wir das
16) Vitruv VI, io, i: conjunguntur autem his domus ampliores habentes latioraperistylia. R) Lysias 1,9, p. 92.
 
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