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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 6.1891

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Bie, Oscar: Zur Geschichte des Haus-Peristyls
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https://doi.org/10.11588/diglit.37650#0018
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Bie, Zur Geschichte des Haus-Peristyls.

griechische Haus sich entwickeln sehen. Das Peristyl bildet das unbedingte Centrum
des Hauses, es zeigt die Gestalt des durchgehenden, vierseitigen Säulenhofs (während
die Frauenwohnung nur ein dreiseitiges hat), und aus dem schon im Kalliashause
in Erinnerung an das alte Megaron bevorzugten xax dvtixpu itpoattoov ist der helle-
nistische Säulensaal, der oecus, geworden. Wie ein Renaissancepalast gegenüber
dem gothischen Wohnhaus die einheitliche Zusammenfassung der Nutzräume unter
ein gemeinsames architektonisches Gesetz bezweckt, so sind in dem hellenistischen
Palast alle diejenigen Elemente, welche die vorhergehenden Jahrhunderte stückweise
zur Ausbildung des Wohnhauses aneinander gereiht haben, zu einem organischen
Ganzen zusammengefafst; die den Hof umgebenden Vorhallen haben sich zu einer
einzigen grofsen durchlaufenden Vorhalle vereinigt und an der bevorzugtesten Stelle,
dem ehemaligen Eingang in den Männersaal, ist hellenistischen Bedürfnissen gemäfs
die gegen den Hof offene Säulenhalle angefügt, auf deren weitere Ausbildung —
man werfe einen Blick auf die flavischen Teile des Palatin — in der Folgezeit, als
römische Kaiser nach hellenistischem Muster ihre Paläste ausbauten, ein Hauptaugen-
merk gerichtet wird. Da nun einerseits diese einheitlich-organische Gestaltung des
Peristylschemas recht im Charakter hellenistischer Baukunst begründet zu sein
scheint, und da andrerseits gerade eine Ausbildung des Säulenhofes und der Säulen-
halle, wie sie hier vorliegt, der speciellen Vorliebe dieser Periode für Säulenarchi-
tektur entspricht, so dürfen wir getrost die Schöpfung des vollendeten Peristylhauses,
welches wir das specifisch griechische nennen, als ein Produkt der hellenistischen
Zeit ansehen, wobei nicht ausgeschlossen ist, dafs die einzelnen Elemente dieses
Systems bereits vorher einen hohen Grad der Vollendung erreicht haben mochten.
Wir werden nicht fehl gehen, in den Formen des tirynther Hofes, der Kallias-Aule
und des vitruvischen Peristyls drei bezeichnende Marksteine einer Entwicklung zu
sehen, an deren allmälig erstrebtem Gipfelpunkt wir in unserer Betrachtung jetzt an-
gelangt sind.
Wie es einst dem ägyptischen Wohnhausschema beschieden war, fast über
die ganze Welt des mittelländischen Meeres seinen Einflufs auszudehnen, so war
das Peristyl dazu berufen den Wohnhauscharakter der ganzen hellenistisch-römischen
Welt zu bestimmen. Damals wurde die Concurrenz des asiatischen Binnenhofsystems
zurückgedrängt, jetzt diejenige des italischen Atriums, welches unterdessen durch
Umwandlung der Halle selbst in den erwünschten Hof mittelst der Erfindung
des Compluvium auf eine andere, aber nicht so glückliche Weise versucht hatte
den Bedürfnissen der Zeit entsprechend statt der Halle den Hof zum Hauscentrum
zu machen. Wir sehen also in grofsen Zügen folgendes Schauspiel sich vollziehen.
Zuerst treten sich Plallen- und Hofsystem, jenes in ägyptischer, dieses in mesopota-
mischer Form gegenüber; das ägyptische System entspricht mehr den Bedürfnissen
der Zeit und wird zum Weltstil. Aus ihm entwickelt sich bei veränderten Bedürfnissen
durch Verlegung des Schwerpunkts von der Halle nach dem Vorhof das griechische
Peristylsystem, welches nun seinerseits den Sieg gewinnt über das gleichzeitige
Hallensystem des italischen Atriums; so treten sich zwei Mal Halle und Flof ent-
 
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