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Pernice, Geometrische Vase mit Schiffsdarstellung.

unten im Schiffe war, zur Anschauung zu bringen, das Schiff gewissermafsen als
durchsichtig dargestellt, was schwer glaublich ist4.
Die Darstellung selbst erklärt Murray mit folgenden Worten: »The rowers
are bent at the oars, bat the place of the steersman is still empty. The steersman is
in the act of stepping on board and grasping the wrist of a woman who holds ont
away from him zvhat appears io be a wreath. Bat obviously there is no room in the
ship for a steersman of such gigantic proportions. Therefore the scene must not be
taken too literally. The vasepainter fortunately had a large space at his disposal
behind the steril of the ship and he took advantage of this space to give more impressive-
ness to his two Principal figures. As a group these two figures may be called a
Prototype of the parting scenes on the Athenian stelae of later times, and this element
of inelancholy is just zvhat is wanted to give the key to the whole composition. That
is to say, the male figure is stepping on board to steer his ship in a race and to will
the crown held up by the woman, thus anticipating the honours that in due time would
be done to liimself.«
Da der Steuerman bereits im Schiffe sitzt, kann diese Deutung nicht zu-
treffend sein. Der grofse, links von dem Schiff gemalte Mann ist vielmehr der Herr
des Schiffes. Er ist an Land gestiegen und läfst sein Schiff fertig zur Abfahrt am
Strand. Jetzt kehrt er hastig zurück und führt seine Beute, eine Frau, an der Hand
dem Schiffe zu, um sich nun schnell davonzumachen. Also nicht eine Abschieds-
scene, sondern einen Frauenraub glaube ich dargestellt zu sehen. Als nächst ver-
wandte Darstellungen lassen sich nicht die Abschiedsscenen der attischen Grabreliefs,
sondern von den älteren attischen Vasen diejenigen heranziehen, welche einen
Frauenraub oder die Wegführung einer Frau zum Gegenstand haben5. Wenn aber
ein Frauenraub dargestellt ist, so ist es nicht unmöglich, dafs dem Dichter ein mytho-
logischer Stoff vorgeschwebt hat, den er zur Anschauung bringen wollte6. An eine
mythologische Deutung dachte zuerst auch Murray, liefs sie aber wieder fallen, weil
»the old Heroes did not act as their own steersmen, and their ships had space enough
for others than rowers on the decks, as we see front the ship of Theseus on the
Frangoisvase.«
gerjjn Erich Pernice.

4) Dafs bei der merkwürdigen Perspektive, die
man dazu — wie wir an den Dipylonvasen er-
kennen können — dauernd zu verbessern bemüht
war, Manches unklar bleiben mufs oder auf
verschiedene Weise gedeutet werden kann, ist
einleuchtend. Beispielsweise ist mir das auf-
fallend flüchtig gezeichnete Schiff, Momiments
grecs 18S6 Taf. 4,1 nicht völlig verständlich
geworden.

5) Vgl. Overbeck, Gallerie heroischer Bildwerke
Taf. XIII, 3; XXVI, 14; XII, 4; VIII, 6; XV, 4.
e) Gegen die mythologische Deutung des Bildes
erklärten sich in der Februarsitzung der archäo-
logischen Gesellschaft die Herren von Kekule
und von Wilamowitz, die beide die Erklärung
des Bildes als Darstellung einer Begebenheit de
täglichen Lebens für wahrscheinlich hielten.
 
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