Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
B. Schulz, Die Porta aurea in Spalato.

51

auf den Säulen frei vor der Wand sitzen und nichts tragens). Wie lange das Blend-
arkadenmotiv von Spalato sich rein erhalten hat, zeigt die Fassade der Kirche
Sta. Maria della Piazza in Ancona aus dem Jahre 1210, wo zum Teil sogar der
Figurenschmuck in den Nischen in Relief vorhanden ist und die Reihe der Rund-
bogenconchen einmal in der Mittelachse auch durch eine Giebel-Aedicula unter-
brochen ist.
Die ästhetische Gesamtwirkung der ganzen architektonischen Komposition
der Porta aurea hat, das kann nicht geleugnet werden, einen eigenartigen Reiz.
Von „Verfall“, d. h. Abnahme des technischen oder künstlerischen Könnens ist nicht
viel zu merken. Man könnte dahin nur die Art des Steinschnitts rechnen, wie er in
dem Anschluß des Türentlastungsbogens an die Wand und den oben erwähnten
Conchenüberdeckungen auftritt, und etwa die von der klassischen Proportionierung
etwas abweichende sehr gedrungene Form der Pilaster neben den unteren beiden
Conchen. In den Einzelheiten tritt uns sonst ein sicheres Gefühl in der Behandlung
der überlieferten Formen entgegen, aber auch darüber hinaus eine selbständige
schöpferische Kraft, namentlich in der erwähnten glücklichen Umbildung des Säulen-
gebälks zum Bogenkämpfer bei der oberen Säulenreihe. Die Wirkung aber beruht
weniger auf diesen Einzelheiten als auf der offenbar mit weiser künstlerischer Ab-
sicht getroffenen Gesamtanordnung, die die reich durchgebildeten Schmuckteile so
eng wie möglich aneinanderrückt und miteinander verbindet und sie dadurch in einen
sehr wirkungsvollen Gegensatz zu den ganz schlicht und schmucklos gehaltenen
übrigen Wandteilen und der Türöffnung selber bringt. Das wird besonders klar,
wenn man (wie in Abb. 2) den Figurenschmuck in den Conchen ergänzt, der, wenn
auch vielleicht nie ausgeführt, jedenfalls der Absicht des Architekten und dem Sinne
seiner Anordnung entspricht. Dies Hinarbeiten auf Kontrastwirkung, wie es der
moderne Architekt nennt, ist ein ästhetisches Prinzip, das sich zu allen Zeiten findet,
sobald die „dem primitiven Kunstempfinden anhaftende Scheu vor der leeren, wenn
auch an sich architektonisch wirksamen Fläche“ überwunden istA). Als eine Art
höheren Raffinements erhält das Prinzip der Kontrastwirkung aber besondere Be-
tonung und Ausbildung jedesmal erst in „Spätzeiten“, d. h. am Ende einer langen
ungestörten einheitlichen Entwicklung der Kunst. Hier, nach dem tausendjährigen
Fortleben der griechisch-römischen Kultur, und ebenso in der Spätgotik und im
Barock, in allen diesen Spätzeiten der Entwicklung finden wir dasselbe Streben des
Architekten vorherrschend, die Wirkung reich ausgebildeter Einzelheiten durch den
Gegensatz zu ruhigen Massen und glatten Flächen aufs äußerste zu steigern. Es ist

3) Vergl. meine Rekonstruktion des Theodorich-
Grabmals zu Ravenna in der Zeitschr. f. Ge-
schichte der Architektur I 1908, 197 ff.
4) Strzygowski, Mschatta, im Jahrbuch der König-
lich Preuß. Kunstsammlungen XXV 1904, 260.
Strzygowski schreibt, wohl mit Recht, das Über-
winden. dieser Scheu erst den Griechen zu: „Hel-
las zuerst duldet in der Architektur die leere
Fläche und erzielt eine ihrer vornehmsten Wir-

kungen durch den Kontrast der durch Profil
und Kannelüre belebten Säule mit der ab-
strakten Ruhe der dahinter liegenden Cella
wand.“ Wenn er trotzdem in dem Dekorations-
system der Porta aurea von Spalato mehr Meso-
potamisches als Griechisches sehen will, so über-
sieht er dabei, daß die Grundempfindung darin
eben jene hellenische Kontrastwirkung ist.
 
Annotationen