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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 27.1912

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Schöne, Richard: Skiagraphia
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https://doi.org/10.11588/diglit.44287#0030
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R. Schöne, Σκιαγραφία.

denn die Erläuterungen der Lexikographen, die σκιαγραφία mit σκηνογραφία in
Verbindung bringen oder gleichsetzen, einen richtigen Kern haben werden: σκια-
γραφία wird eine Darstellungsweise sein, die vielleicht nicht ausschließlich, aber
doch vorzugsweise bei der Theaterdekorationsmalerei in Anwendung kam. Andere
Gelegenheiten zur Malerei in größtem Maßstab konnten sich nur selten bieten und
werden hier unbedenklich außer Betracht bleiben dürfen.
Um eine täuschende Wirkung auf den Beschauer auszuüben, bedarf es für
die Malerei zunächst einer —auch perspektivisch — richtigen Zeichnung; doch wird
unser Auge erfahrungsgemäß schon durch eine annähernde Richtigkeit einigermaßen
befriedigt. Zu täuschender Wirkung wird eine solche perspektivisch ungefähr
richtige Zeichnung erst durch richtige Wiedergabe von Licht und Schatten gesteigert,
wobei es zunächst mehr auf richtige Wiedergabe der verschiedenen Belichtungs-
und Beschattungsgrade, als auf alle Feinheiten der Farbentöne ankommt.
Bei Arbeiten in kleinem Maßstabe mochte man sich auf die Übung des Auges,
des Gedächtnisses und der Hand verlassen. Wer in großem Maßstab arbeitete, sah
sich zur Überlegung, zum Aufsuchen von Gesetzen, Regeln und Handgriffen ge-
drängt, um Gehilfen anweisen zu können und Fehler zu vermeiden, deren Verbesse-
rung einen erheblichen Aufwand von Zeit, Arbeit und Material zu fordern drohten.
Die Auffindung solcher Regeln war dadurch erleichtert, daß es sich bei der Theater-
malerei vorwiegend um Wiedergabe von Architektur handelte. Daß eine beliebig
gefärbte Fläche am hellsten erscheint, wenn sie von den Lichtstrahlen im rechten
Winkel getroffen wird, daß ihre Helligkeit um so mehr abnimmt, je kleiner bzw.
größer dieser Winkel wird, daß der Schlagschatten dunkler zu erscheinen pflegt als
der Eigenschaften des Körpers, der ihn wirft, und andere derartige Beobachtungen
konnten dem einmal aufmerksam gewordenen Auge nicht entgehen und werden bald,
nicht als mathematisch bewiesene Lehrsätze, sondern als empirische Handwerksregeln
in den Werkstätten umgelaufen sein. Welche Wirkung sie auf das technische Er-
fahren bei der Ausführung haben mußten, ist nicht schwer zu erraten. Da nicht
allen Lesern dieser Zeitschrift solche Erwägungen naheliegen, wird man entschul-
digen, wenn ich ein sehr einfaches Beispiel zur Erläuterung beibringe.
Man denke sich, es sei die Aufgabe gestellt, einen von einer nicht allzuweit
entfernten Lichtquelle genau von vorn beleuchteten, einfarbigen, aufrechtstehenden
Zylinder in großem Maßstab und in täuschender Darstellung abzubilden. Die Größen-
verhältnisse sind durch Messung leicht festzustellen. Eine Schwierigkeit bietet nur
die richtige Wiedergabe der Beleuchtungserscheinungen, von der die plastische
Wirkung des Körpers abhängt. Wer diese Erscheinungen sich verdeutlichen will,
kann das nicht einfacher erreichen, als wenn er sich die Mantelfläche des Zylinders
in eine Anzahl von senkrechten Streifen zerlegt denkt, beispielsweise in vierzehn,
die dem Auge zugekehrte Hälfte also in sieben. Von diesen Streifen ist der mittelste
am hellsten beleuchtet (Licht); die links und rechts anschließenden beiden Streifen
zeigen eine etwas geringere, aber untereinander gleiche Belichtung (Halblicht).
Die alsdann links und rechts folgenden Streifen zeigen wieder die gleiche, aber noch
geringere Belichtung (Halbschatten); die letzten beiden Streifen empfangen wenig
 
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