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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 27.1912

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Oelmann, Franz: Ein achäisches Herrenhaus auf Kreta
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https://doi.org/10.11588/diglit.44287#0049
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F. Oelmann, Ein achäisches Herrenhaus auf Kreta.

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von Fräulein Boyd zum großen Teil ausgegraben, und die Ergebnisse liegen seit 1908
in einer luxuriösen Publikation vor. J Leider ist der einzige beigegebene Plan der
Ausgrabung (Abb. 2, S.41) — Detailpläne fehlen fast ganz — sehr unzuverlässig, wie ich
bei einem kurzen Besuch des Ortes im Sommer 1909 feststellen konnte; auch sind
die freigelegten Mauerreste nicht immer richtig verstanden worden. Im folgenden
wird sich zeigen, wie notwendig eine neue exakte Aufnahme des jetzigen Bestandes
und eine planvolle Fortsetzung der Grabung sind. Selber an Ort und Stelle ge-
naue Maße zu nehmen, ließ mir die Kürze des Aufenthaltes keine Zeit.
Die Bedeutung der Ruinen von Gurnia liegt einmal darin, daß hier zum ersten
Male auf Kreta Palast und Stadt als eine Einheit erscheinen. So, nur in entsprechend
größeren Verhältnissen, wird man sich auch die Städte Phaistos und Knossos vor-
stellen müssen, wo zwar auch vereinzelt Privathäuser in der Nähe des Palastes auf-
gedeckt sind, wo aber die ganzen . Häuserkomplexe noch unter dem tiefen Schutt
ruhen müssen. Wertvoller noch scheint mir die Ausgrabung von Gurnia deshalb,
weil sie geeignet ist, einiges Licht auf die ethnologischen Probleme zu werfen, die
die altkretische Kultur bietet.
In der Besiedelung von Gurnia sind nach H. Boyd drei Perioden zu unter-
scheiden. Die älteste ist, abgesehen von wenigen Hausmauern, nur aus keramischen
Resten zu erschließen, die den dritten mittelminoischen Vasenstil zeigen und
der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends angehören. Der weitaus größte Teil
der Ruinen gehört der zweiten Periode an, die durch die zugehörige Ke-
ramik in die erste spätminoische Epoche datiert wird. Der architektonische Charakter
der Stadt entspricht völlig dem, was wir sonst von altkretischer Bauweise wissen.
Der Palast mit seinen Magazinen im Souterrain, den Säulen- und Pfeilerstellungen
und der gewinkelten Treppe nach dem Vorhof zu, die sich jetzt als ein typischer
Bestandteil altkretischer Palastanlagen herausstellt, erscheint als ein verkleinertes
Abbild der großen Bauten in Knossos und Phaistos. Unter Vergleichung dieser An-
lagen wird man bei genauerem Studium der Reste an Ort und Stelle den Grundriß
wohl noch besser herstellen können, als es jetzt geschehen ist. Auch in den Privat-
häusern (z. B. E 30, E 37, H 29) kehrt in den deckenstützenden Steinpfeilern eine
Eigentümlichkeit kretischer Architektur wieder, die schon von anderen Orten der
Insel, auch von Phylakopi her bekannt ist 2). Diese Stadt muß nach verschiedenen
Anzeichen durch einen großen Brand zugrunde gegangen sein. Da sich unter der
Keramik dieser Periode (Late Minoan I) zwar auch fortgeschrittene Stücke finden,
der eigentliche Palaststil aber gänzlich fehlt, ist dies Ereignis wahrscheinlich vor
die letzte große Blüte des knossischen Palastes zu setzen 3).

J) Gournia, Vasiliki and other prehistoric sites on
the isthmus of Hierapetra, Crete. Excavations
of the Wells-Houston-Cramp expeditions 1901,
1902, 1904 by Harriet Boyd-Hawes, Blanche E.
Williams, Richard B. Seager, Edith H. Hall.
Philadelphia 1908.
a) Knossos: BSA VIII Taf. 1 B 13, IX Taf. 1,

S. 5 Fig. 1. Paläokastro: BSA IX Taf. 6 Block ß
29, 36, δ 20. Zakro: BSA VII S. 131 und 138.
Phylakopi: Plan G 3.
3) Nachträglich werde ich auf Beiochs Aufsatz
über Origini cretesi( Ausonia IV 1910 S. 219 ff. gin-
gewiesen. Er kommt darin S. 234 auch kurz auf
Gurnia zu sprechen, läßt aber im Gegensatz
 
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