H. Dütschke, Das Musenrelief Chigi der Villa Cetinale bei Siena.
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seite des Admetossarkophages des Palazzo Rinuccini in Florenz x), dem gewiß ein
griechisches Original des vierten Jahrhunderts zugrunde liegt, und daß das Vorbild
unseres Sarkophages, den man doch höchstens deshalb nicht als Handwerksarbeit
ansehen wollte 2), weil er bis jetzt einzig in seiner Art ist, auf keinen Fall früherer
Zeit angehören wird, darauf führen alle Anzeichen.
Daß den meisten Figuren Praxitelische Motive zugrunde liegen, ist allgemein
anerkannt. Aber in der Art, wie sie zusammengestellt sind, kann man doch keine
künstlerische Selbständigkeit erblicken. Der Hermes ist gewiß Praxitelisch; er
geht unbedingt auf das Vorbild des Praxitelischen Satyrs zurück; die Muse rechts
stammt von dem bekannten Sardanapal; in der achten Muse von links offenbart
sich ein attischer Gewandtypus, den R. v. Schneider auf Kalamis zurückzuführen
geneigt war 3). Gewandung und Gebärde der zweiten Muse von links erinnert auf-
fällig an die Frau des sog. Menanderreliefs im Museo profano des Laterans 4); die
reizende Hauptgestalt aber des sitzenden Mädchens ist offenbar nur eine Weiter-
entwicklung eines attischen Typus aus dem fünften Jahrhundert, der sich u. a. als
Mittelbild einer weißgrundigen Schale darbietet. Pottier, der das schöne Bild zuerst
bekannt machte 5), wollte wegen des Schmuckes der Spielerin nicht an eine Genre-
szene, sondern an eine Muse oder Dichterin denken und vermutete dabei ein be-
rühmtes Original, das zugrunde liegt. Wie nahe das Motiv der Hauptfigur unseres
Sarkophages steht, zeigt ein Blick auf die Wiederholung in Abb. 10. Sie ist aber
auch deshalb lehrreich, weil damit ziemlich deutlich bewiesen wird, daß auch grie-
chische Sarkophagarbeiter schon des vierten Jahrhunderts ohne Bedenken sich an
berühmte Typen anlehnten. Sie waren eben Handwerker, die dabei vielleicht der
Idee des Auftraggebers folgten. Es wäre nicht undenkbar, daß das der rechtssitzende
Überlebende war, der den Erklärern bis jetzt soviel Schwierigkeiten gemacht hat.
Dies Betonen einer ungewöhnlichen, aber doch immerhin poetischen Idee,
die dem Bildner zum Vorwurf dienen sollte, ist gewiß auch ein Zeichen hellenistische1'
Zeit. Je tiefer wir übrigens das Bildwerk herabrücken, um so deutlicher wird der
Zusammenhang mit römischen Sarkophagdarstellungen, und daß sich zwischen
diesen und der griechischen Sarkophagplastik ein so bezeichnendes Bindeglied ge-
funden hat, darin sehe ich vor allem die kunstgeschichtliche Wichtigkeit des Chigi -
Reliefs.
Wannsee bei Berlin. Hans Dütschke.
1) Abb. Arch. Ztg. XXXIII, T. 9; Robert, Sark.
III, T. VI/VII, 32 zu S. 36 ff.
3) Auf die häßlichen Bohrlöcher in den Mund-
winkeln mehrerer Figuren machte schon Petersen,
a. a. 0. aufmerksam.
3) Jahrb. d. Sl. des ah. Kaiserh. 1890, 72 ff.; 79.
4) Benndorf u. Schoene, Later. 245.
5) Monum. Piot II 1895, PI. V zu S. 48 f.
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seite des Admetossarkophages des Palazzo Rinuccini in Florenz x), dem gewiß ein
griechisches Original des vierten Jahrhunderts zugrunde liegt, und daß das Vorbild
unseres Sarkophages, den man doch höchstens deshalb nicht als Handwerksarbeit
ansehen wollte 2), weil er bis jetzt einzig in seiner Art ist, auf keinen Fall früherer
Zeit angehören wird, darauf führen alle Anzeichen.
Daß den meisten Figuren Praxitelische Motive zugrunde liegen, ist allgemein
anerkannt. Aber in der Art, wie sie zusammengestellt sind, kann man doch keine
künstlerische Selbständigkeit erblicken. Der Hermes ist gewiß Praxitelisch; er
geht unbedingt auf das Vorbild des Praxitelischen Satyrs zurück; die Muse rechts
stammt von dem bekannten Sardanapal; in der achten Muse von links offenbart
sich ein attischer Gewandtypus, den R. v. Schneider auf Kalamis zurückzuführen
geneigt war 3). Gewandung und Gebärde der zweiten Muse von links erinnert auf-
fällig an die Frau des sog. Menanderreliefs im Museo profano des Laterans 4); die
reizende Hauptgestalt aber des sitzenden Mädchens ist offenbar nur eine Weiter-
entwicklung eines attischen Typus aus dem fünften Jahrhundert, der sich u. a. als
Mittelbild einer weißgrundigen Schale darbietet. Pottier, der das schöne Bild zuerst
bekannt machte 5), wollte wegen des Schmuckes der Spielerin nicht an eine Genre-
szene, sondern an eine Muse oder Dichterin denken und vermutete dabei ein be-
rühmtes Original, das zugrunde liegt. Wie nahe das Motiv der Hauptfigur unseres
Sarkophages steht, zeigt ein Blick auf die Wiederholung in Abb. 10. Sie ist aber
auch deshalb lehrreich, weil damit ziemlich deutlich bewiesen wird, daß auch grie-
chische Sarkophagarbeiter schon des vierten Jahrhunderts ohne Bedenken sich an
berühmte Typen anlehnten. Sie waren eben Handwerker, die dabei vielleicht der
Idee des Auftraggebers folgten. Es wäre nicht undenkbar, daß das der rechtssitzende
Überlebende war, der den Erklärern bis jetzt soviel Schwierigkeiten gemacht hat.
Dies Betonen einer ungewöhnlichen, aber doch immerhin poetischen Idee,
die dem Bildner zum Vorwurf dienen sollte, ist gewiß auch ein Zeichen hellenistische1'
Zeit. Je tiefer wir übrigens das Bildwerk herabrücken, um so deutlicher wird der
Zusammenhang mit römischen Sarkophagdarstellungen, und daß sich zwischen
diesen und der griechischen Sarkophagplastik ein so bezeichnendes Bindeglied ge-
funden hat, darin sehe ich vor allem die kunstgeschichtliche Wichtigkeit des Chigi -
Reliefs.
Wannsee bei Berlin. Hans Dütschke.
1) Abb. Arch. Ztg. XXXIII, T. 9; Robert, Sark.
III, T. VI/VII, 32 zu S. 36 ff.
3) Auf die häßlichen Bohrlöcher in den Mund-
winkeln mehrerer Figuren machte schon Petersen,
a. a. 0. aufmerksam.
3) Jahrb. d. Sl. des ah. Kaiserh. 1890, 72 ff.; 79.
4) Benndorf u. Schoene, Later. 245.
5) Monum. Piot II 1895, PI. V zu S. 48 f.