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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 27.1912

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Pfuhl, Ernst: Skiagraphia, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.44287#0249
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E. Pfuhl, Skiagraphia.

231

wirksam sehen: sie lehnen es ab, »ihre reinen Farbflächen mit Schatten zu be-
schmutzen«, sind also auf halbem Wege zur Illusionsmalerei stehen geblieben; denn
die agatharchisch-europäische Linearperspektive haben sie übernommen —- leider,
wie wohl nicht nur die nach Europa entsendete künstlerische Studienkom-
mission geurteilt hat. Wenn wir dies bedauern, so bedarf es doch keiner Ausführung
darüber, weswegen wir diese Empfindung nicht auf die zur Höhe führende Eigen-
entwicklung der griechischen Malerei ausdehnen können: die Tadler der apollo-
dorischen Kunst standen, wie schon Julius Lange bemerkte, durchaus auf dem
gleichen Boden wie die Gegner des Impressionismus: sie wollten nicht Wirkungs-
form, sondern Daseinsform, nicht den Schein, sondern das Sein, als ob nicht alle
Kunst, vor aller anderen aber die Malerei Schein gäbe *). Die Geschichte ist über
die Tadler hinweggeschritten und hat dem bahnbrechenden Meister der Illusions-
malerei Recht gegeben.

Basel.
Daß man Platon, der dieseGedanken folgerichtig zu
Ende gedacht hat, nicht jenen Kritikern gleich-
stellen darf, habe ich früher ausgeführt. Hoffent-
lich hält wenigstens der Grundgedanke dem
Urteil der Platonforscher stand. Wenn das der
Fall ist, ließe sich die moderne Reaktion gegen
den Impressionismus vergleichen, die im Kubis-
mus bereits das Extrem erreicht hat — wie auf
die kretisch-mykenische Kunst der geometrische
Stil folgt — und anscheinend nächstens auch
ihre »Metaphysik« erhalten wird, vgl. Pan II,
1912, 527 ff. Einen großen wissenschaftlichen
Schritt auf diesem Wege hat im Anschluß an Riegl
schon im Jahre 1907 Worringer mit seiner ge-
dankenreichen Dissertation über Abstraktion
und Einfühlung getan. Die von Platon hoch-
. geschätzte ägyptische Plastik ist ja auch bis zu
einem gewissen Grade geometrisch und hie und
da sogar kubistisch, freilich in anderem Wort-
sinne (vgl. z. B. Bulle, Der schöne Mensch2
T. 18 S 25). Sie ist daher auch Riegls und
mehr noch Worringers Lieblingskunst, wenig-
stens soweit sie nicht naturalistisch ist (er folgt
der üblichen, vielfach irreführenden Scheidung
von Hof- und Volkskunst); die streng stili-
sierende Richtung ist für ihn bezeichnender-
weise die »eigentliche Kunst« und ihre »Größe
der Empfindung« steht ihm im Grunde über der
»laueren menschlichen Atmosphäre« der grie-
chischen Kunst (S. ii. 41, 43, 47). Aber die
Parallele zu Platon geht noch weiter und führt
uns wieder an den Ausgangspunkt zurück:
»Daß fernerhin eine rein impressionistische Dar-

Ernst Pfuhl.
Stellung, die das Naturvorbild nicht in seiner
Realität, sondern in seiner Erscheinung wieder-
gibt, ausgeschlossen war, ist selbstverständlich,
denn eine solche Darstellung hätte auf jede
Wiedergabe des objektiven Tatbestandes ver-
zichtet und hätte in ihrer ausgesprochenen Sub-
jektivität einem Drange nicht genügt, der von
dem Willkürlichen der Erscheinung gequält,
eben nach dem ,Ding an sich' haschte. Und die
optische Wahrnehmung ist es doch gerade, die
uns den unsichersten Bericht von d‘er stofflichen
Individualität und abgeschlossenen Einheit
eines Dinges gibt.« »So ist der Raum also der
größte Feind alles abstrahierenden Bemühens
und er mußte also in erster Linie in der Dar-
stellung unterdrückt werden. Diese Forderung
ist untrennbar verquickt mit der weiteren For-
derung, die dritte Dimension, die Tiefendimen-
sion, in der Darstellung zu umgehen, weil sie
ja die eigentliche Raumdimension ist. Die
Tiefenrelationen verraten sich nur aus Ver-
kürzungen und Schatten; zu ihrer
Erfassung bedarf es also einer Gewöhnung und
einer Vertrautheit mit dem Objekt, die aus
diesen Andeutungen heraus sich erfahrungsge-
mäß die Vorstellung der körperlichen Realität
desselben bildet. Es leuchtet ein, daß dieses
starke Ergänzungspostulat an den Beschauer,
dieser Appell an die subjektive Erfahrung allem
Abstraktionsbedürfnis widersprach« (S. 38 f.). Ich
kann hier natürlich weder auf eine Kritik der
Worringerschen Gedanken noch ihrer nicht immer
einwandfreien tatsächlichen Grundlagen eingehen.
 
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