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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 30.1915

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Frickenhaus, August: Der Eros von Myndos
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https://doi.org/10.11588/diglit.44516#0144
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A. Frickenhaus, Der Eros von Myndos.

d. h. ebenso wie bei der lindischen Athena wurde auf einen beliebigen archa-
ischen Künstler geraten; daß die Hera von Smilis aus Ägina herrührtc, wußte
man nicht mehr. Dagegen gehört der Name des Lysipp offenbar zu dem Eros von
Myndos. Hier aber stehen wir nun vor einem Rätsel, und es ist ein Hauptz^veck
dieser Zeilen, die Kenner der Literatur zu fragen, ob sie nicht irgendeine weitere Spur
dieser Statue aufzeigen können. Die Stadt Myndos T) muß im IV. Jahrhundert
ziemlich bedeutend gewesen sein, da Maussolos sie nicht in Halikarnaß aufgehen ließ
(Strabon XIII 6ll) und Alexander sie nicht durch einen Handstreich nehmen konnte
(Arrian I 20,5). Auf den Münzen erscheinen Zeus, Apoll, Artemis und anscheinend
Dionysos; allerdings kann der Eros ja auch etwa in einem Gymnasion gestanden
haben. Wie steht es aber nun mit der allgemeinen Glaubwürdigkeit der gesamten
Kedrenosstelle ? Blinkenberg urteilt in der Ausgabe der lindischen Chronik: il n’y a
point de vraie tradition dans ces fantaisies (Academie de Dänemark, Bulletin 1912,
446). Das ist durchaus unberechtigt, wenn auch Echtes und Falsches vermengt ist.
Angesichts der Tatsache, daß man noch an anderen Stellen von Byzanz die Athena
von Lindos zeigte (Blinkenberg 447), kann man ja zweifeln, ob die Statuen im Lauseion
richtig identifiziert waren. Aber die Aphrodite des Praxiteles und der Kairos des
Lysipp sind sicher richtig beschrieben, und ferner ist doch sehr zu beachten, daß
der Katalog des Lauseion nur solche Werke umfaßt, die sich im V. Jahrhundert
wirklich dort befinden konnten. Wo wir überhaupt die Möglichkeit der Kontrolle
besitzen, sind jene Statuen niemals nach Italien gekommen, sondern nahmen während
der römischen Kaiserzeit noch ihren ursprünglichen Standort im griechisch-klein-
asiatischen Gebiet ein. Ernstere Bedenken kann man höchstens bei dem Zeus von
Olympia haben, aber nachdem die dortigen Spiele aufgehört hatten, lag die Entfernung
des kostbaren Bildes nach der Hauptstadt nahe genug, ergab auch keine technische
Unmöglichkeit, wie Caligulas früherer Plan beweist (Overbeck, Schriftquellen 747 ff.).
Wer trotzdem die Anwesenheit der genannten Werke im Lauseion leugnet, muß
wenigstens zugeben, daß der Autor der Notiz über jene nobilia opera literarisch
noch mehr feststellen konnte als wir. Schon die Nennung der obskuren Stadt bürgt
uns dafür, daß der Eros von Myndos nicht einfach erfunden ist. Und wenn Blinken-
berg zum Schluß die Glaubwürdigkeit der Gesamtstelle scherzend dadurch wider-
legen will, daß er die Definition eines dem Lysipp und Bupalos gemeinsamen Stiles
erwartet, so parieren wir dieses Argument mit der oben vorgeschlagenen Emcndation.
Eine Bestätigung der Nachricht des Kedrenos wäre gewiß sehr erwünscht,
aber an sich erweckt diese durchaus keinen Verdacht. Ja, es scheint uns, als ob
hier die kunstgeschichtliche Überlieferung unerwartet zu Hilfe komme. Denn wenn wir
überlegen, wie der beflügelte Eros mit dem Bogen wohl aussah, so denken wir un-
willkürlich an die in über 30 Wiederholungen erhaltene Statue des »bogenspannenden
Eros«. Ist es nun Zufall, daß dieser berühmteste und schönste aller antiken Eroten

I') Über Myndos vgl. die Zeugnisse bei Forbiger,
Handbuch der alten Geographie II 218 und
Smith, Dictionnary of Geography II 386; über
Head i

die Ruinen Paton-Myres, Journ. of Hell. Stud.
XVI 1896, 204 = The Geogr. Journal IX 1897,
46; die Münzen Brit. Mus. Coins Caria pl. 22 und
622.
 
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