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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 30.1915

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Hoorn, G. van: Eine minoische Bronze in Leiden
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https://doi.org/10.11588/diglit.44516#0077
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EINE MINOISCHE BRONZE IN LEIDEN.
Hierzu Tafel i und eine Beilage.

Das Typische einer Handlung im lebensvollen Bilde festzuhalten, ist eine Auf-
gabe der Kunst, welche die ägäischen Künstler auf eine Weise gelöst haben, die
immer von neuem unser Erstaunen weckt. Auch die hier veröffentlichte unscheinbare
Bronzestatuette (Taf. I; Abb. i—3)1) ist von einer so prägnanten Formgebung, daß
wir trotz des fragmentarischen Zustandes das Aktionsmotiv erkennen und es wagen
dürfen, eine Ergänzung zu versuchen.
Die Statuette, massiv aus Bronze gegossen, im unvollständigen Zustande 14 cm
hoch, jetzt im »Rijksmuseum van Oudheden« in Leiden, ist im Kunsthandel erworben
und in der Nähe von Phaistos auf Kreta gefunden. Sie ist sehr verwaschen und
schlecht erhalten; Hände und Unterschenkel fehlen. Dargestellt ist ein stehender
Mann; der Oberkörper ist stark zurückgebeugt (so fordert es die kretische Etikette),
das linke Bein etwas vorgesetzt; die Unterarme sind vor der Brust aneinandergepreßt,
so daß die Handgelenke sich unweit des Mundes befinden. Immerhin muß die Möglich-
keit in Betracht gezogen werden, daß die Krümmung der Oberarme durch eine
nachträgliche Verbiegung entstanden ist und daß folglich auch die Unterarme etwas
nach innen versetzt und einander näher gekommen sind. Auf dem Kopfe hat der
Mann einen kleinen runden, sehr flachen Hut, um die Taille den konkaven Gürtel,
der mit der Schurztracht zusammenhängt. Das Haar, leider sehr verwaschen, fällt
ziemlich breit über den Nacken und einen Teil des Rückens herab. Gerade unter
dem Hut, dem Rande parallel, sind zwei Linien eingeritzt, um das Haar zu
charakterisieren, jedoch, dem Anschein nach, nicht zur Bezeichnung von Zöpfen,
die um den Kopf gelegt sind. Ob der Mann einen Kinnbart hat, läßt sich hier
ebensowenig entscheiden wie bei einer kretischen Bronze in Wien2 3). Außer diesen
zwei recht zweifelhaften Fällen ist der Bart bei minoischen Monumenten fast noch
nicht nachgewiesen 3). Die Gesichtsbildung ist ziemlich flach, mit breiten Backen,
zum Teil sehr verwittert, so daß das Adlerprofil der Nase (Abb. 1) nur Schein ist.
Der Brustkasten ist breit; die kräftigen Muskeln, zumal der Biceps, und die feinen

9 Die Photographien sind mir von Herrn Museums-
direktor Prof. Dr. A. E. J. Holwerda gütigst
zur Verfügung gestellt; ihm verdanke ich auch
die Erlaubnis zur Veröffentlichung.
2) Arch. Anz. 1892 S. 48 Nr. 63.
figuren, die Halbherr in

3) Der Bogenschütze auf einem Steatitfragment
aus Knosos dürfte ein Fremdling sein, vgl.
B. S. A. VII S. 44 Abb. 13 = Lagrange, La Crete
ancienne, Paris 1908, Abb. 85. Lagrange S. 77
(Abb. 49) erwähnt sehr primitive bärtige Ton-
H. Triada gefunden hat.

Jahrbuch des archäologischen Instituts XXX.

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