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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 30.1915

DOI Artikel:
Thiersch, Hermann: Griechische Leuchtfeuer
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Robert, Carl: Der Kephisos im Parthenongiebel
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https://doi.org/10.11588/diglit.44516#0275
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C. Robert, Der Kephisos im Parthenongiebel. 237

auch im Rahmen des großen weit- und kulturhistorischen Zusammenhangs Hennigs
These eine bare Unmöglichkeit ist. Alexandria aber und mit ihm der Genius Griechen-
lands bleibt, darauf vertraue ich, seiner leuchtenden Krone unberaubt.
Freiburg i. Br. . H. Thiersch.

DER KEPHISOS IM PARTHENONGIEBEL.
Mit vollem Recht hat Friedrich Matz in seiner fleißigen und tüchtigen Dis-
sertation: Die Naturpersonifikationen in der griechischen Kunst S. 117 die Eckfiguren
im Westgiebel des Parthenon wieder als Flußgötter in Anspruch genommen, ohne
sich um das unmethodische Bedenken zu kümmern, daß liegende Flußgötter — an-
geblich oder wirklich — erst in der hellenistischen Kunst vorkommen. Unmethodisch
nenne ich dies Bedenken, weil es nicht mit der wichtigen Erscheinung des kunst-
historischen Anachronismus oder, wie man vielleicht richtiger sagen sollte, der kunst-
historischen Prolepsis rechnet, über die der leider zu früh verstorbene A. Riegl
bahnbrechend gehandelt hat T), weil es ohne weiteres voraussetzt, daß der Künstler
stets im Banne einer festen Typik arbeite, ohne zu erwägen, daß bestimmte Verhält-
nisse, wie hier der Raumzwang, ihn veranlassen konnten, mit der Tradition zu
brechen und einen ganz neuen Typus zu schaffen, und endlich weil es auf dem Wahne
beruht, jeder auf solche Weise entstandene Typus müsse sofort befruchtend und
weiter zeugend wirken. Also dies Bedenken ist in der Tat null und nichtig; wenn
aber trotzdem Matz mit seiner Rehabilitierung der alten Deutung auf einen seiner
Rezensenten2) nicht überzeugend gewirkt hat, so liegt das meiner Ansicht nach daran,
daß seine Beweisführung nach der positiven Seite hin nicht ganz bündig ist. Denn
wenn es auch schon vor der hellenistischen Kunst Flußgötter als Zuschauer gegeben
hat, einerlei, ob stehend, wie sie Matz allein belegt, oder liegend, so wird dadurch
nur ein, wie gezeigt, unberechtigtes historisches Bedenken weggeräumt, aber es
folgt daraus noch lange nicht, daf> auch die zuschauenden Eckfiguren des West-
giebels Flußgottheiten sind. Nur die Analogie des Ostgiebels von Olympia bildet
für Matz das Fundament seiner Deutung, wie schon früher für alle diejenigen, die
vor ihm dieselbe Erklärung vorgetragen haben. Aber dies Fundament ist keines-
wegs auch heute noch so solide, wie uns Matz glauben machen will. Denn die Deutung
des Pausanias ist zwar nicht aus historischen Gründen, aber deshalb verdächtig,
weil seine Erklärungen der Olympiagiebel überhaupt, sowohl im ganzen als im einzel-
nen, teils handgreiflich falsch, teils wenigstens höchst bedenklich sind. Es erwächst
uns Modernen also die Verpflichtung, die Eckfiguren des olympischen Ostgiebcls

r) »Zur kunsthistorischen Stellung der Becher von
Vafio« in den Österreich. Jahresheften IX 1906
S. 1 ff., das erste Kapitel eines unvollendet ge-

bliebenen Werkes, von dem nach dieser Probe
die Wissenschaft außerordentlich viel zu erwarten
hatte.

2) Amelung, Deutsche Literaturzeitung 1915 S. 39.
 
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