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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 38/​39.1923/​1924(1924)

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Winter, F.: Der Meister der Niobegruppe
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https://doi.org/10.11588/diglit.44819#0068
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F. Winter, Der Meister der Niobegruppe.

nete, flächenhaft gehaltene Ausführung ergibt eine reliefmäßig vor einem geschlos-
senen Hintergrund hingeführte Anordnung. Die frühere Annahme einer Giebel-
komposition ist nach ihrer Ablehnung durch Friederichs allgemein aufgegeben.
Aus der Zurichtung der Bodenflächen als felsiges Terrain und aus der Bewegung
mehrerer Figuren, die mit starkem Schritt hinaufschreitend dargestellt sind, hat
Friederichs T) die Folgerung einer Anordnung auf nicht horizontal fortlaufender,
sondern auf- und absteigender Fläche gezogen: »Die Figuren schreiten mit starkem
Schritt hinauf, von unten nach oben, und dies Hinaufschreiten kann doch nicht
durch einige ihnen in den Weg geworfene Steine erklärt werden, vielmehr müssen
wir eine ansteigende und auf der anderen Seite abfallende Fläche voraussetzen, auf
deren höchstem Funkte die Mutter steht«. Nach diesen Worten könnte es scheinen,
als habe Friederichs eine ähnliche Anordnung im Sinne gehabt, wie sie kürzlich von
Sieveking und Buschor vorgeschlagen und in einer Rekonstruktionsskizze verdeut-
licht ist* 2), wonach die Figuren auf einer in Form eines flachen Dreiecks gestalteten
Felsenbasis von beiden Seiten nach der Mitte zu aufgereiht anzunehmen wären.
An eine derartige Reihengliederung aber hat Friederichs doch wohl nicht gedacht.
Das geht aus den weiter folgenden Sätzen hervor: »Wir erhalten dadurch eine mehr
malerische Komposition nach Art des Farnesischen Stiers, einer Gruppe, die freilich
noch weiter nach dieser Richtung geht. ... Es ist uns aus dem Altertum von zwei
Darstellungen der Niobiden Kunde erhalten, von denen eine und vielleicht auch die
andere in ähnlicher Weise aufgestellt waren, wie wir es für die Florentiner Gruppe
annehmen. An den Türen des palatinischen Apollotempels, den Augustus zu Ehren
des Sieges bei Aktium stiftete, waren auf dem einen Flügel die vom Scheitel des
Parnaß herabgestürzten Gallier, auf dem andern der Tod der Niobiden dargestellt.
Die Symmetrie verlangt, daß wir uns die Szene des Niobidenuntergangs in ähnlicher
Weise vorstellen, wie die angeführten Worte für das Seitenstück, die Vernichtung
der Gallier bei ihrem Angriff auf Delphi, vorschreiben, d. h. die einzelnen Figuren
waren malerisch einen Berg hinan aufgestellt«.
Für die Bilder an den Türen des Palatinischen Tempels ist eine in die Länge
gezogene Reihengliederung durch die gegebene Fläche ausgeschlossen. Daß für sie
vielmehr eine mehr oder weniger von unten nach oben gegliederte Anordnung an-
zunehmen ist, hat Wolters in der Neubearbeitung der »Bausteine« durch den den
Friederichsschen Sätzen zugefügten Hinweis auf die Niobidendarstellung der Marmor-
scheibe des Britischen Museums angedeutet.
Über die mit der polygnotischen Malerei einsetzende Ausbildung der
staffelförmigen Anordnung der Figuren auf und vor bewegtem felsigen Terrain liegt
uns in den Vasenbildern des 5· und 4. Jahrhunderts das reichste Material vor. Wir
verfolgen ihre Entwicklung von anfangs lockerer zu gedrängterer und von anfangs
friesartig gereihter zu geschlossener auf die Mitte gegliederter Komposition. Die
Gigantenvase aus Melos 3) (Abb. 1) bietet ein der Niobegruppe zeitlich und mit

T) Bausteine 242 f. 3) Vorlegebl. VIII 7. Furtwängler-Reichhold Taf,
2) Münch. Jahrb. d. bild. Kunst 1912,117; 1914, 200. 96, 97.
 
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