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Kemp, Wolfgang; Heck, Kilian [Hrsg.]
Kemp-Reader: ausgewählte Schriften — München, Berlin: Dt. Kunstverl., 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.55647#0011

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Einführung

Anfang und Ende zu lesen und die Mitte zu überfliegen, lassen die Texte von Wolfgang
Kemp nicht zu. Da unser längst schon von u/ebsites und Antragstexten bestimmtes Lese-
verhalten zur Verkürzung und zur Stichwortbildung neigt, wird schnell klar, daß wir bei
Texten von Wolfgang Kemp wieder ein anderes, womöglich grundlegendes Verhältnis zur
Lektüre entwickeln müssen. Man muß schon die Bereitschaft für die gesamte Wegstrecke
des Textes mitbringen, um zu verstehen, wie hier die Dinge zueinander treten und wie sie
dann zu sehen sind. Wer sich darauf einläßt, sieht sich allerdings belohnt: nicht nur mit
überraschenden Sichtschneisen und Panoramen, sondern auch — will man weiter in den
Metaphern des Gehens bleiben - mit Routen, die ganze Gegenden neu erfahrbar machen.
Dazu händigt einem der Autor als erfahrener Cicerone gutes Kartenmaterial mit neuen
Eintragungen aus sowie einen Kompaß, der das selbständige Vorankommen des Wan-
dernden stärkt. Einige Voraussetzungen hierfür liegen freilich, wie könnte es anders sein,
bei diesem selbst: die Neugierde zu betrachten, das Interesse, sich zu »bewegen«, aber vor
allem die Bereitschaft, diesen Weg auch bis zum Ende zu gehen. Denn erst hier offenbart
sich dem Wanderer, wie arten- und kurvenreich die Landschaft gewoben wurde, durch die
er gerade eben noch geschritten war. Erst in der Rückschau offenbart sich der Text von
Kemp als die hochintellektuelle Herausforderung, uns die besehenen und beschriebenen
Dinge nicht in ihrer Vereinzelung, sondern ihrer Ausbreitung in den Raum und ihrer
Situierung entlang der Zeitachse wahrnehmen zu lassen und dadurch ihr Miteinander
greifbar werden zu lassen. An dieser Stelle könnte der Vergleich zwischen dem Wanderer
und einem Leser der Texte von Wolfgang Kemp eigentlich schon enden. Denn mit dem
beschriebenen Rüstzeug ist man gut ausgestattet, wenn es darum geht, einen Autor zu
lesen, der die kunstwissenschaftliche Praxis seit mehr als drei Jahrzehnten mit einer Fülle
von Interpretationen, Analysen und Beobachtungen bereichert.
Letzteres anläßlich eines runden Geburtstages zu würdigen, versteht sich fast von selbst.
Wenn sich mit dem zu Ehrenden jedoch ganz neue Ansätze und Felder der Forschung
verbinden, muß eine Anthologie nicht nur einen Querschnitt über das bisherige Schaffen
geben, sondern vor allem auch das Neue daran herausstellen. Gerne sind wir dem Wunsch
des Autors gefolgt, nur vollständige Texte, jedoch keine Ausschnitte aus Monographien zu
verwenden. Die Zusammenstellung, die so zustande kam, denken wir uns vor allem fiir den
Gebrauch, gerade auch in der Hand der Studierenden. Sie könnte Begleiterin in einer
aktuellen kunsthistorischen Situation sein, in der vielfach neu nach dem Selbstverständnis
des Faches gefragt wird. All dies zum Ausgangspunkt zu nehmen, bedeutet dennoch auch
die Qual der Wahl: nicht alle Gattungen, in denen Wolfgang Kemp gearbeitet hat, bilden
 
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