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Kemp, Wolfgang; Heck, Kilian [Hrsg.]
Kemp-Reader: ausgewählte Schriften — München, Berlin: Dt. Kunstverl., 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.55647#0147

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Disegno
Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1747 und 1607

Diese Abhandlung hat die Geschichte des Begriffs Disegno zum Gegenstand. Ausgehend
von einem Höhepunkt seiner Entwicklung umfaßt sie den Zeitraum, der für ihn am wich-
tigsten wurde, die sechs Jahrzehnte von 1547 bis 1607. Die hier vorgenommene Beschrän-
kung auf Äußerungen Florentiner Akademiker rechtfertigt sich dadurch, daß allein in
Florenz das Prinzip Disegno substantieller Bestandteil der Kunsttheorie war. Die Kunst-
literatur außerhalb des Einflußbereichs von Florenz partizipierte höchstens an den dort
propagierten Lehren oder wies dem Disegno einen untergeordneten Rang zu. Bekannte,
unbekannte und wenig beachtete Passagen werden hier nebeneinanderstehen. Indem sie
einander erläutern, tragen sie dazu bei, den Ablauf der Begriffsgeschichte konsequenter als
bisher erscheinen zu lassen. Die Rekonstruktion dieser Entwicklung geschieht durch die
Interpretation schriftlich fixierter und gemalter Kunsttheorie. Ihr immanentes Vorgehen
verstellt jedoch nicht die Frage nach der Tendenz der begrifflichen Entwicklung.
Cellinis Akademie-Siegel I
Ende 1562 oder Anfang 1563 forderte die neugegründete Accademia del Disegno in
Florenz ihre Mitglieder auf, für die Körperschaft ein Amtssiegel zu entwerfen'. Die Wahl
eines Siegels war für die damalige Zeit ein Akt von grundsätzlicher Bedeutung, in etwa
vergleichbar mit der Formulierung einer Vertragspräambel. Man kann sich zudem vor-
stellen, mit welchem Eifer die emblem- und devisenfreudige Generation dieser Jahre an
eine solche Aufgabe gegangen ist. Und doch hat dieser Plan aus uns unerklärlichen Grün-
den unter keinem glücklichen Stern gestanden. Erst 1597 legte man sich endgültig auf ein
Siegel in Gestalt dreier ineinandergreifender Kränze fest; bis dahin war das alte Siegel der
Compagnia dei Pittori mit dem liegenden Lukas-Stier in Gebrauch gewesen.
Wir wollen hier etwas ausführlicher auf die Geschichte des Unternehmens eingehen,
weil sich in der Literatur über diesen Gegenstand ein hartnäckiger Irrtum gehalten hat.
Die Fakten, welche die Archive bereitstellen, kann man leicht aus Karl Freys Veröffent-
lichung von Vasaris Carteggio ersehen. 1562, gleichzeitig mit dem Plan, eine Akademie zu
gründen, taucht die Frage nach einem Siegel auf. Am 1. Februar 1563 schreibt Vasari an den

1 Über diese Episode der Akademie-Geschichte unterrichtet am ausführlichsten P. Calamandrei, Inediti
Celliniani, in: 11 Ponte 1956, S. I346ff. Siehe auch G. Vasari, II Carteggio, hrsg. v. K. Frey, München I923ff.,
Bd. 1, S. 708 (ab jetzt: Vasari-Frey).
 
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