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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Zimmern, Helen: Hubert Herkomer, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0041

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2-r

Hubert Herkomer

ganze Kraft an seine Aufgabe, da er wußte, daß ein
Versäumen der diesjährigen Ausstellung in der Akademie
ihm für seine Zukunft verderblich gewesen wäre. Er
biß die Zähne zusammen und schuf an seinem Werke
in seiner gewohnten unabhängigen und originellen
Weise. Als er fühlte, daß Kräfte und Gesundheit
nachließen, kaufte er sich, da er zu keinen anregenden
Mixturen seine Zuflucht nehmen wollte, ein „Health
Lift"*), und so wurde er, abwechselnd seine Übungen
vornehmend und malend, rechtzeitig zur Ausstellung der
Akademie von 1875 mit dem Bilde fertig. Ihn be-
friedigte es nicht, weil es so ganz anders gemalt war,
als die Arbeiten Walkers. Es machte jedoch einen
großen Eindruck auf die Jury der Akademie, und der
Präsident wurde sofort auf ihn aufmerksam. Mr.
Richmond schrieb ihm, daß dieses Bild, nachdem die
Jury einen ganzen Tag lang nur über triviale, alltäg-
liche Arbeiten hatte urteilen müssen, mit einem wahren
Beifallsausbruch und allgemeinem Händeklatschen be-
grüßt worden sei. Dieses Urteil wurde vom Publikum
vollkommen bestätigt. „Da hatte ich nun," sagt
Herkomer, „auf einer Seite die Aussicht auf eine
glänzende Künstlerlaufbahn vor mir, während von der
anderen Seite eine schwarze Wolke über mir schwebte."
Im Jahr 1878 wurde das Gemälde nach Paris zur
Ausstellung geschickt und Herkomer erzielte durch das-
selbe eine der beiden großen Ehrenmedaillen, von denen
Millais die andre bekam.

Solche Auszeichnungen würden manchem jungen
Künstler zum Schaden gereicht haben; ihn erfüllten
sie nur mit der Besorgnis, daß er sich wiederholen
könnte, und dem eifrigen Wunsche, die Ziele der Kunst
Das rusammengrbrochrnr ZaubrrthralLr. von Fr. Steub ^hr und mehr erkennen und besser erfüllen zu lernen.

Michel: „M-rlst D' denn nich^Me, d°b dies nur ° »'spaßiges Von seinen Gemälden aus späterer Zeit hat nur noch

Kunststück! vom Hexenmeister ist? Glei' wer'n wir wieder droben sein." eines im Motiv etwas Ähnlichkeit mit der „Letzten

Musterung." Es heißt: „Zur Abendzeit" und ist 1877
' gemalt. Das Bild stellt das „Altweiber-Asyl" eines Londoner Arbeitshauses dar. Es wirkte nicht in dem
Grade auf das Publikum, wie die „Letzte Musterung", da es nicht so dramatisch ist und seine Vorzüge mehr
von rein malerischer Natur sind. Indessen bekundet dieses Bild einen entschiedenen Fortschritt und nicht allein
der Technik. Der Künstler zeigt sich hier völlig frei von einer ihm früher jeweilig eigen gewesenen Manieriertheit.

Nun rang sich Herkommer schnell empor zu derjenigen Höhe seines Könnens, welche ihn befähigt, die
poetischen Seiten der Natur zugleich mit der aus sorgfältiger genauer Beobachtung gewonnenen Wahrheit zur
Erscheinung zu bringen. Und diese wunderbare Fähigkeit sehen wir vielleicht am schönsten entfaltet in seinem
„Gloom of Jdwal" und in „God's Shrine." — „Im poetischen Realismus" liegt, wie Herkomer sagt, „die

Lösung des modernen Kuustproblems. Der sogenannte „Jdealmaler", gegen dessen verschwommene

Gestalten die realistische Bewegung eilten heilsamen Kampf eröffnet hat, legt seinen Schöpfungen zweierlei zu
Grunde — das, was er sieht, und noch etwas von ihm Erdachtes, irgend eine sentimentale Idee, welche er
der Wirklichkeit hinzuzufügen bestrebt ist, ohne daß hierzu eine künstlerische Notwendigkeit besteht. Der rein
realistische Maler andrerseits gibt nur das wieder, was er gesehen hat, das körperliche. Aber außer dem Körper
muß auch die Seele erfaßt werden, und dies thut der poetische Realist, die Mitte zwischen den beiden Extremen
haltend. Habt so viel Ideen wie ihr wollt, nur basiert sie auf das Reale, die Natur.

Unter dem Einfluß derartiger Gedanken malte er im Jahr 1880 im Gebirge von Nord Wales „The
Gloom of Jdwal", jenes großartige Stück Bergromantik, wo über den in amphiteatralischer Form aufgetürmten
Gebirgsmassen eine Düsterheit lagert, welche der erhabenen Szenerie einen mystischen, weihevollen Hauch ver-
leiht, der den Beschauer in eine andächtige, fast religiöse Stimmung versetzt. Die Berge sind mit einer Natur-

*) Ein amerikanischer Apparat, vermittelst dessen ans künstliche Weise Körperbewegung erzielt wird.
 
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