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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Unsre Bilder
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Unsre Bilder, vom Herausgeber

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Auf der Redouke. von Rene Reinicke

Trompetenstoß. Bekanntmachung: „Ein Ehering wurde gefunden!" (90. Bd. 1889)

sie aber so mutwillig und mit solch neckischer Grazie
betreiben und breitet dabei zugleich den ganzen Zauber süd-
licher Farbenglut so geschickt über sie aus, daß diese Bilder,
wie wir deren wieder zwei auf der heurigen Münchener
Jahres-Ausstellung sehen, zu den anziehendsten Erschei-
nungen unsrer modernen Malerei gehören, da er Wasser
und Luft mit einem Reiz darzustellen versteht, der hinter
dem seiner Bewohnerinnen ganz und gar nicht zurückbleibt.

Nicht weniger glücklich als er ist sein Landsmann
Franz Simm, dessen Bilder aus der Revolutions-
und Kaiser-, oder richtiger deutschen Biedermaherzeit
sich eines stets wachsenden Erfolges erfreuen. Auf dem
hier gegebenen führt er uns in das Innere einer hoch-
aristokratischen österreichischen Familie, deren noch sehr
minorenner Stammhalter eben samt seiner Mutter auf
einem großen Bilde verewigt werden soll, sei's durch den
Herrn Galeriedirektor Kraft oder den Herrn Direktor
Füger oder irgend einen andern Helden jener halb
zopfigen, halb antikisierenden, Mengs und David mischen-
den Schule, die in Österreich beinahe bis 1848 herrschte.
Der Herr Professor hat das Bild denn auch schon aus-
gezeichnet, mit dem höchst wohlgezogen ein Blümchen
in die Höhe haltenden Sprößling vorne samt der
graziös über ihn gebeugten Mutter und dem Hintergrund
eines griechischen Tempels, der samt Urnen, Dreifüßen,
Allüren und anderem Spielzeug damals auf keinem
Bilde fehlen durfte. Nun fehlt bloß noch das Sitzen.
Dies aber hat der junge Herr offenbar bald sehr lang-

weilig gefunden und ist nach verschiedenem Strampeln mit
den Füßen endlich, trotz aller Beschwichtigungsversuche mit
der Uhr des Großpapas, dem Steckenpferd und anderem,
in vollen Ausruhr geraten und schreit mörderlich, während
er die Haube seiner Wärterin zerreißt. Bei dieser völligen
Pflichtvergessenheit wird kaum etwas andres übrig bleiben,
als die Sitzung aufzuheben. Diese kecke Rebellion eines
höchst legitimen Sprößlings ist aber so köstlich geschildert,
daß man es dem frischen Jungen ganz und gar nicht übel
nimmt, wenn er seine Wärterin zaust und, allen Respekt
vor den gnädigen Großeltern vergessend, seinerseits sehr
ungnädig wird. Sein älteres Schwesterchen hat unter-
dessen im Farbkasten des Herrn Professors koloristische
Studien gemacht, deren Effekt sie etwas verblüfft an ihren
Fingern betrachtet. Ein paar weibliche Besucher kokettieren
unterdessen mit dem Herrn Professor oder weiden sich
vielmehr an dessen Not, und so erhalten wir denn ein
köstliches Sittenbild mehr von unsrem Meister, das uns
in seiner überzeugenden Verbindung von Wahrheit und
Schönheit mit dem anmutigsten Humor aufs neue beweist,
welch große Zukunft er noch hat.

Mit Semenowskis „orientalischem Blumenmädchen"
machen wir dann um so eher den Beschluß, als sie selber
offenbar auch zu den Blumen gehört, und zwar zu jener
Klasse, die — durchaus nicht gesonnen, im stillen zu
blühen und zu welken, wie die Veilchen — je eher je
lieber gepflückt werden möchte.
 
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