Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

DOI Artikel:
Presber, Rudolf: "Poberetto", [3]: Novellette
DOI Artikel:
Unsre Bilder
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0064

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
^2 „poveretto". Novellette. von R. Pres

ver neben ihr saß und offenbar ihr Eheherr war, nicht
verdenken, wenn er so gelangweilt und gleichgültig drcin-
schaute, daß sein ohnehin unschönes Gesicht einen ganz
menschenunwürdigen Zug von Indifferenz bekam.

Ich erhob mich bald und ging ans mein Zimmer;
hier am Fenster lehnend genoß ich eine Zeitlang die
herrliche Aussicht auf den Hasen, wo die Lichter der
verankerten Schiffe herüberglänzten, und die stillen schwarzen
Gondeln lautlos wie Schatten durch die Brücke glitten,
die des Mondes Heller Schein vom Lido her über das
Meer gelegt hatte.

Dann setzte ich mich nieder und schrieb an meine
Frau, gratulierte ihr zum Zähnchen des Sohnes, dankte
ihr für ihren Brief, der so lieb und munter war, wie
sie selbst, erzählte ihr ausführlich von Venedig und meiner
sonderbaren Bekanntschaft.

Ehe ichs recht merkte, waren zehn Seiten eng be-
schrieben, und als ich mit einem herzlichen Kuß für
Mutter und Sohn schloß und der Bitte, nicht auf das
zweite Zähnchen zu warten mit Nachrichten, was freilich
ein Spaß war, denn sie schrieb jeden Tag, da war ich
ganz müde vom Sehen, Hören und Schreiben. Ich legte
mich zu Bett und schlief gut und fest trotz des Lärms
auf der Straße, der Hitze im Zimmer und der Mos-
quitos in meinem Bettvorhang; ich träumte auch etwas,
ich glaube, die Engländerin steckte mir immer eine Veilchen-
wurzel in den Mund, damit meine Zähne zum Durchbruch
kämen, und der kleine Maler stand ganz ernst dabei. So
etwas war es, eine möglichst dumme Kombination der
Ereignisse des vorhergehenden Tages, wie's meine Träume
fast immer sind.

(Die Fortsetzung im nächsten Hefte)

Unsre Bilder

Vom Herausgeber

6>L ekanntlich haben nach dem Vorgänge Klaus Meyers und
Uhdes unsre Münchener Künstler Holland und seine
phlegmatischen Bewohner beiderlei Geschlechts mit Vorliebe
ins Herz geschlossen. Unter den vielen Bildern, die sie
da her holten und die, falls sie Jnnenräume darstellen,
gewöhnlich dem Beschauer die Fensterwand zeigen samt
der Aussicht auf die gegenüberliegenden Häuser, ist nun
eines der solidesten und talentvollsten unstreitig das „Nach-
mittagsstunden" betitelte von Paul Rieth. Wohl weil
es uns den gemütlich seine Thonpfeife rauchenden Familien-
vater darstellt, dem die jüngere Tochter aus irgend einem
Traktätchen oder gar aus dem Kalender vorliest, während
die ältere, an ihrer Nähterei beschäftigte nur mit offenbar
sehr geteiltem Interesse zuhört. Umsomehr ist freilich der
Papa dabei, der aber, wie es scheint, sich vom Auftreten
des Herrn Domela Nieuwenhuys oder andrer Kämpfer
für das Volkswohl, von denen er da hört, auch nicht
viel Gutes erwartet. Wie dem auch sei, das Bild zeigt
eine Feinheit der Empfindung in der Bewegung seiner
Figuren und eine Gediegenheit der Mache, die es hoch
über viele andre hinausheben, die ähnliche Aufgaben mit
ähnlichen Mitteln zu lösen suchen und gewöhnlich nur
durch die Armut ihrer Erfindung auffallen, da man in
München doch jedenfalls besser die Münchener als die
Holländer beobachten und folglich auch schildern kann.

ber — Unsre Bilder, vom Herausgeber

Solcher Einsicht ist nun der gesunde Menschen-
verstand der Italiener viel zugänglicher, sie beschäftigt
ihr nationales und Stammesleben und nicht das andrer
Nationen. Dieser sehr nahe liegenden Erkenntnis ver-
danken sie denn auch ihre glänzenden Erfolge selbst in
München. Dank dieser gesunden Auffassung hat es selbst
ein so mäßiges malerisches Talent, als es Luigi Ferrazzi
in seiner Besuch erhaltenden Mädchenschule zeigt, zu einem
immerhin so erfreulichen Bilde gebracht, als wir es in
dieser eben im Komplimentemachen Unterricht erhaltenden
Jugend belachen. Wie die Frätzchen ihre ihnen in Grazie
nicht gerade sehr überlegene Lehrerin mehr oder weniger
geschickt nachahmen, das ist offenbar im Leben beobachtet
und nicht ohne guten Humor wiedcrgegeben, so daß man
ein immerhin erfreuliches Bild und die Gewißheit erhält,
daß der eben nahende Herr Schulinspektor mit aller mög-
lichen Devotion von diesen kichernden „Göhren" empfangen
werden wird, die sich um so tiefer bücken, je weiter sie
schon aus den Kinderschuhen heraus und im Bestreben
vorgeschritten sind, ihrer Erziehung Ehre zu machen oder
vielmehr zu gefallen.

Aus dem sonnigen Süden führt uns der unermüd-
liche Winterbildmaler Andersen-Lundby auf eine der
baumbesetzten Landstraßen, die über die weite schneebedeckte
oberbayerische Ebene zur Münchener Vorstadt Au hin-
führen. Man kann nicht sagen, daß ihr gegenwärtiger
vereister Zustand der heimischen Straßenbaukunst besondere
Ehre oder den armen Gäulen, die da zum Torfführen
auf derselben verdammt sind, besonderes Vergnügen mache.
Umsomehr entspricht ihr Aussehen der Wirklichkeit, die
hier mit jener nüchternen Wahrheit wicdergegeben ist, die
einen Hauptvorzug unsres Malers ausmacht, welcher sich
in die herbe, aber kerngesunde und kräftige oberbayerische
Art besser hineingelebt hat als die meisten andern Fremden,
die hier eine zweite Heimat gefunden. Dabei hat er diese
der Poesie keineswegs ermangelnde, männlich ernste Natur
mit einer Feinheit studiert, die gerade an unserm Bilde
sehr angenehm anmutet, da er doch ganz genau das
Nahen einer Großstadt uns in dieser weiten Ebene ahnen
zu lassen verstand. ,

Von all unfern Tiermalern kennt Braith die Haus-
tiere, besonders der „breitgestirnten Rinder fette Scharen",
sowohl in jedem kleinsten Teile ihres Körperbaues als
besonders in ihrem Naturell, ihrer charakteristischen Artz.
sich zu bewegen, am genauesten. Dabei weiß er seine
Schilderungen mit einem urwüchsigen Humor zu Würzen,
der um so erquicklicher wirkt, als die komischen Situationen,
in welche er seine Ochsen und Kälber bringt, immer
durchaus ihren Gewohnheiten entsprechen. Wie köstlich ist
nur auf unsrer heutigen „Unerwarteten Begegnung", welche
die Münchener Ausstellung zierte, das blöde Staunen der
beiden Rinder vor dem lustigen Eichkätzchenpaar aus-
gedrückt, auf das sie bei ihrer Wanderung im Grünen
gestoßen. Wie witzig, wachsam und sprungbereit sehen
dagegen diese aus! Schon die bloße Bewegung der
Schweife der beiden Parteien genügt zu ihrer Charakte-
ristik, des langsamen und störrischen bei dem Hellen Rind,
des intelligenten und raschen bei den Eichhörnchen. Welche
Meisterschaft und vollendete Kenntnis des Organismus
zeigen vollends die Beine der stutzenden Wiederkäuer, wie
fein ist der mißtrauische Blick beim Hellen, das stupide,
aber gutmütigere Glotzen beim dunklen ausgesprochen!
Schon dadurch charakterisieren sie sich als neugierige Kuh
 
Annotationen