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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Presber, Rudolf: "Poberetto", [4]: Novellette
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0081

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von R. presber

Das k. k. nakurhistor. Wuftmn irr Wien. Lrbaut von A. v. ksasenauer

„Und es ist keine Lüge! — Wie finden Sie den Faun?"
fügte er dann plötzlich mit hartklingender Stimme hinzu.

Ich wußte nicht recht, was ich ihm antworten sollte;
ich sah ihn an, und das Lächeln, das jetzt um seine
Lippen spielte, hatte wirklich etwas von jener ironischen
Freude, die aus dem Gesichte seines Faun leuchtete.

„Nicht wahr, Sie haben ihn erkannt?" fuhr er
rasch fort, „Sie sehen ihn, den häßlichen, bockfüßigen
Kerl, wie er sich an dem Anblick dieser reinen Schönheit
weidet; und er hat doch kein Recht dazu; wer gibt dem
Häßlichen ein Recht, sich mit dem Schönen zu verbinden,
wer wird neben das Mißgestaltete das Wohlgeformte
stellen; das thun nur Maler und Dichter, das thut der
Musiker, der die harten Dissonanzen in so liebliche Har-
monien austönen läßt, daß wir sie ihm verzeihen; aber
im Leben kommt das nicht vor; da muß scharf geschieden
werden: hierhin die Auserwählten, dorthin die Ver-
dammten! Glauben Sie mir, dieses widerliche Lächeln
ruhte nicht immer auf jenen Lippen", er trat dicht vor
das Bild hin, „nicht immer; erst als diese Mißgestalt
den Fluch des Elends, des Hohns und der Lächerlichkeit
durchgekostet hatte, da lächelte sie, so wie jetzt; Verachtung
und Verzweiflung liegt in solchem Lachen und die Menschen
wenden sich entsetzt von dem ab, was sie selbst ver-
schuldet — — ach, was rede ich, — entschuldigen Sie,
es kommt manchmal so über mich, und dann bin ich nicht
Herr meiner selbst!"

Ich hatte inniges Mitleid, aber zu sagen wußte ich
nichts. Er schien ruhiger geworden.

Er schritt zu einigen Bildern, die umgewendet wider
die Wand gelehnt standen; er dreht eins herum.

„Nein, das ist nicht das rechte", sagte er vor sich hin.

Aber ich hatte eine schöne Dame gesehen von milden,
feinen Zügen und bat ihn, ob ich es nicht betrachten
dürfe.

„Gewiß", sagte er einfach, reichte es mir hin und
suchte unter den andern weiter.

„Wer ist dies?" fragte ich, indem ich das sanfie
Frauenantlitz betrachtete, das einen so leidenden Zug um
den Mund trug.

„Meine Mutter", sagte er.

„Von Ihnen gemalt natürlich?

„Ja, aber lange nach ihrem Tode; denn sie gebar
mich und starb!"

Er hatte gefunden, was er suchte.

„Es ist eine von den Studien zu diesem Bild",
sagte er, indem er es mir ins rechte Licht rückte.

„Es war dieselbe Gestalt, derselbe schöne Kopf und
dieselben Schultern; die Arme waren nicht ausgezeichnet.

„Ehrlich gesagt", meinte ich, „ist es fast noch schöner."

„Das glaube ich auch, dieser Mund und die glän-
zenden Augeu sind mir eben nur einmal recht gelungen!"

Jetzt erst bemerkte ich, daß dies letzte Bild einen
großen Riß in der Mitte hatte.
 
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