72 Unsre Bilder, vom Herausgeber -
noch kompetenter sein dürfte. Immerhin trägt das Ganze
den stilllebenartigen Charakter, der den meisten Knehl-
schen Bildern eigen.
Wie sich die Tücke früh im Menschenherzen entwickelt,
zeigt uns mit köstlicher Schalkhaftigkeit Vautier in
seinem Bauernjungen, der einem mit dem Brüderchen
aus der Schule heimkehrenden Mädchen, mit der un-
schuldigsten Miene an die Wand gelehnt, auflaucrt, um
loggienbild aus der Vorsigschen Garkenhalle in Berlin
von Paul Meyerheim
Aphorismen, von A. Feuerbach
ihr, sobald sie vorbeipassiert ist, den Schneeball, den er
versteckt trägt, ans den Rücken zu werfen. Die beiden
Gefährdeten haben wohl eine Ahnung von diesen bösen
Absichten und gehen nicht ohne Bangen an dem jungen
Wegelagerer vorbei, besonders der kleine Bube, während
seine Schwester sich offenbar darauf einrichtet, etwaige
thätliche Anfälle durch eine Verschwendung von kräftigen
Scheltworten an den Buben zu rächen, denn im Hinter-
grund ballt ja schon ein zweiter Böse-
wicht den Schnee zusammen. — Das alles
ist aber nnt einer köstlichen Frische, Deut-
lichkeit und Anmut gegeben, besonders beim
heimtückischen Angreifer und dem Mädchen,
daß man sich nicht satt an den so glück-
lich der Natur abgestohlenen Kindern sehen
kann, die überdies sämtlich ihre schweizerische
Abkunft so unverkennbar aussprechen. Dabei
ist noch der Winter und seine Kälte durch
die schwarz und hart aus dem Schnee auf-
ragenden Häuser und die dunkeln Gestalten
der Kinder köstlich charakterisiert, so daß bei
einem Vergleich der beiden so hervorragen-
den Vertreter der älteren und neuesten Rich-
tung unsrer Sittenbildmalerei, trotz des
größeren spezifisch malerischen Reizes des
Kuehlscheu Bildes, der Vorzug dennoch ent-
schieden dem Düsseldorfer Meister bleiben
dürfte, da jener nur unsre Augen erfreut,
dieser aber trotz unleugbar größerer Härte
und Trockenheit seiner Bilder unser Herz
erquickt.
Gab uns Vautier so eine kleine Perle
voll reinen und keuschen Naturgefühls, so
gelingt das dem Wiener Darnaut nicht
weniger mit seinem prächtigen „Waldrand",
einer der schönsten Landschaften unsrer letzten
Ausstellung. Hier in diesen stolzen Eichen-
gruppen, die den Regenschauern des grauen
herbstlichen Himmels so trotzig standhalten,
während unter ihnen eine Schafherde ihr
dürftiges Futter auf der Waldwiese sucht und
ihr Hirt sich vor dem kalten Strichregen in
seinen Mantel hüllt, da hat man die köstliche
Empfindung eines so kräftigen Naturlebens,
wie es nur je einem Ruysdael gelungen ist.
Denn alles ist da so wahr, ergreifend, und
dabei hochpoetisch, daß man wieder einmal
recht sieht, wie die höchste Kunst und die
lautere Natur sich fast immer berühren.
Aphorismen
von A. Feuerbach *)
Die Kunstv ereine
jT'in jedes Tierchen bat sein plaisierchen"; baden wir keine
Kunst, so haben wir wenigstens ein Künstchen! Gott
ist auch im Kleinsten groß, welche Kunstgenüsse kann sich der
Gebildete mit einem Fonds non ZOO Mark nicht verschaffen.
Kunst und Wissenschaft
Die Kunst übersetzt die göttliche Schöpfungskraft ins
Menschliche; die Wissenschaft reproduziert das Geschaffene im
Geiste. Kann man sich eine größere Verschiedenheit der Aus-
gaben denken?
*> Aus »Ein Vcrmiichlnis". Wie». Gerold.
noch kompetenter sein dürfte. Immerhin trägt das Ganze
den stilllebenartigen Charakter, der den meisten Knehl-
schen Bildern eigen.
Wie sich die Tücke früh im Menschenherzen entwickelt,
zeigt uns mit köstlicher Schalkhaftigkeit Vautier in
seinem Bauernjungen, der einem mit dem Brüderchen
aus der Schule heimkehrenden Mädchen, mit der un-
schuldigsten Miene an die Wand gelehnt, auflaucrt, um
loggienbild aus der Vorsigschen Garkenhalle in Berlin
von Paul Meyerheim
Aphorismen, von A. Feuerbach
ihr, sobald sie vorbeipassiert ist, den Schneeball, den er
versteckt trägt, ans den Rücken zu werfen. Die beiden
Gefährdeten haben wohl eine Ahnung von diesen bösen
Absichten und gehen nicht ohne Bangen an dem jungen
Wegelagerer vorbei, besonders der kleine Bube, während
seine Schwester sich offenbar darauf einrichtet, etwaige
thätliche Anfälle durch eine Verschwendung von kräftigen
Scheltworten an den Buben zu rächen, denn im Hinter-
grund ballt ja schon ein zweiter Böse-
wicht den Schnee zusammen. — Das alles
ist aber nnt einer köstlichen Frische, Deut-
lichkeit und Anmut gegeben, besonders beim
heimtückischen Angreifer und dem Mädchen,
daß man sich nicht satt an den so glück-
lich der Natur abgestohlenen Kindern sehen
kann, die überdies sämtlich ihre schweizerische
Abkunft so unverkennbar aussprechen. Dabei
ist noch der Winter und seine Kälte durch
die schwarz und hart aus dem Schnee auf-
ragenden Häuser und die dunkeln Gestalten
der Kinder köstlich charakterisiert, so daß bei
einem Vergleich der beiden so hervorragen-
den Vertreter der älteren und neuesten Rich-
tung unsrer Sittenbildmalerei, trotz des
größeren spezifisch malerischen Reizes des
Kuehlscheu Bildes, der Vorzug dennoch ent-
schieden dem Düsseldorfer Meister bleiben
dürfte, da jener nur unsre Augen erfreut,
dieser aber trotz unleugbar größerer Härte
und Trockenheit seiner Bilder unser Herz
erquickt.
Gab uns Vautier so eine kleine Perle
voll reinen und keuschen Naturgefühls, so
gelingt das dem Wiener Darnaut nicht
weniger mit seinem prächtigen „Waldrand",
einer der schönsten Landschaften unsrer letzten
Ausstellung. Hier in diesen stolzen Eichen-
gruppen, die den Regenschauern des grauen
herbstlichen Himmels so trotzig standhalten,
während unter ihnen eine Schafherde ihr
dürftiges Futter auf der Waldwiese sucht und
ihr Hirt sich vor dem kalten Strichregen in
seinen Mantel hüllt, da hat man die köstliche
Empfindung eines so kräftigen Naturlebens,
wie es nur je einem Ruysdael gelungen ist.
Denn alles ist da so wahr, ergreifend, und
dabei hochpoetisch, daß man wieder einmal
recht sieht, wie die höchste Kunst und die
lautere Natur sich fast immer berühren.
Aphorismen
von A. Feuerbach *)
Die Kunstv ereine
jT'in jedes Tierchen bat sein plaisierchen"; baden wir keine
Kunst, so haben wir wenigstens ein Künstchen! Gott
ist auch im Kleinsten groß, welche Kunstgenüsse kann sich der
Gebildete mit einem Fonds non ZOO Mark nicht verschaffen.
Kunst und Wissenschaft
Die Kunst übersetzt die göttliche Schöpfungskraft ins
Menschliche; die Wissenschaft reproduziert das Geschaffene im
Geiste. Kann man sich eine größere Verschiedenheit der Aus-
gaben denken?
*> Aus »Ein Vcrmiichlnis". Wie». Gerold.