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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Obermüller, Adolf: Aus den Wanderungen eines Hochalpenmalers
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0115

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Alis den Wanderungen eines ksochalpcninalers

Orklergrnppe vom Skilstrr Joch

Jahren um so willkommener, als es sonst zu den Unmög-
lichkeiten gehörte, nahe der Gletschergrenze für längere
Zeit passendes Unterkommen zu finden. Speziell in den
österreichischen Alpengebieten gab es außer den günstig ge-
legenen Almen nur die von weiland Erzherzog Johann
erbaute Schutzhütte am Pasterzengletscher der Groß-
glocknergruppe, welche noch anfangs der Fünfzigerjahre
den Gebrüdern Schlagintweit als notdürftiger Aufenthalt
bei ihren Gletschermessungen diente und welche ich anfangs
der Sechzigerjahre schon vollständig verwahrlost ange-
troffen habe. Die bahnbrechende Thätigkeit des öster-
reichischen Alpenvereines änderte die Sachlage im günstigsten
Sinne; es wurden Wege geschaffen, die Frage der
Erbauung einer Reihe von Unterkunftshütten an hoch-
gelegenen Punkten in Anregung gebracht und solche ver-
suchsweise erbaut. Später hat der deutsche und öster-
reichische Alpenvercin diese Angelegenheit im großen Stile
weitergeführt und heute finden wir Hochgebirgsasyle für
Touristen, Naturforscher und Künstler allerwärts. Damals,
als ich mit meiner Studienmappe in die Berge zu wandern
begann, war es eben noch mühevoller und der Kampf mit
der Unbill des oft wechselnden Wetters dadurch, daß die,
wenn auch noch so primitive Heimstätte erst nach langer
Wanderung erreichbar war, zuweilen unsagbar schwierig.
Wem es um strenge eingehendes Studium zu thun ist,
der muß möglichst große Studien malen; dies wieder
erfordert umfangreiche Studienbrcttcr. Abgesehen von
der Schwere des Malgerätes, bietet das Aufstellen der
Staffelet am Stein- und Geröllboden Hindernisse genug,
wenn aber der Wind aus vollen Backen bläst, da sitzt
der Maler im fortwährenden Ringen mit dem störenden
Elemente. Nach der Arbeit endlich, ermüdet heimgekehrt
in eine Schafalm, wohin mit der feuchten, halb oder
ganz vollendeten Studienarbeit?-Jugend, Arbeits-

lust und guter Humor, verbunden mit geringen Ansprüchen

ans. von A. Vbermüllner

für das leibliche Wohl, führten uns Maler glücklich
über all diese Wirrnisse hinüber und stiegen auch viele
derselben später wieder in das bequemere Thal nieder,
so blieb doch noch immer eine Anzahl davon der Gletscher-
welt treu.

Einst fand ich auf meinen Kreuz- und Querzügen
in Tirol auf meinen Sommertouren Spuren der immer
seltener werdenden Zirbelkiefer. Im Verfolge derselben
gelangte ich in ein immer enger und steiler werdendes
Seitenthal und je höher ich stieg, desto gewaltigere von
Sturm und Wetter zerzauste Bäume fand ich auf. In
der Höhe von über 2000 Meter über der Meercsfläche
hatte ich die Vegetationsgrenze erreicht und ein wildver-
worrenes Chaos von entwurzelten oder kahlen Stämmen
bedeckte das Gerolle ringsumher. Dort nun — in dem
Taborettakeffel des Ortlergebietes — wo alles ausge-
storben schien, fand ich eine zwar unendlich primitive,
aber immerhin willkommene Zufluchtsstätte in einer Schaf-
alpe, die ich denn auch durch zwei Sommer mit dem
sechzigjährigen Schäfer-Jockl teilte. Die Hütte — gleich
allen Tiroler Schäfcrheimstätten blockhausartig gebaut,
war klein und niedrig, die innere Einrichtung des einzigen
Gelasses bestand aus dem offenen Feuerherd, einer Bank
und der Bettstelle, welche notdürftig mit Heu gefüllt war.
An den Wänden zog der Länge nach ein Brett hin, wo
die geringen Vorräte von Mehl, Fett und Brot, einige
Kochgeschirre, sowie der umfangreiche Kübel voll Stein-
salz ihren Platz fanden. Der alte Jockl versah seit
zwanzig Jahren das mühevolle Geschäft eines Schäfers
und trotz dem allen Hochgebirgsbewohnern eigenen Miß-
trauen gegen Städter, bot er mir bereitwillig Gastfreund-
schaft an, welche ich, wie bereits erwähnt, zum Zwecke
meiner Studien gerne annahm. Von Trafoi aus ließ
ich mir Proviantvorräte, ein kleines Fäßchen Tiroler
Wein und zwei wollene Decken bringen. Der Bursche,
 
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