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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Grasberger, Hans Nepomuk: Streich um Streich, [1]: Künstlernovelle
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Streich uin Streich. Aünstlernovelle. Von ks. Grasberger

104

fehlen, daß bald über euch der Stern der Kunst auf-
gehen wird."

Man ahnte gemach den Sinn dieser Brandrede und
bot dem wunderlichen Meister den Willkomm. Doch ehe
derselbe weiter mit sich reden ließ, herrschte er: „Weg
mit diesen Kübeln! Schafft mir die widerlichen Gesellen
von der Leiter herab!"

So ward Weißenkirchen aufgesuuden und für den
Malerpinsel mit Sturm genommen. —

Die beiden kamen spät abends an, aber Pichler
wußte Bescheid und war für sich und seinen Freund im
voraus bester Aufnahme gewiß; er hatte sich bereits vor
zwei Jahren allhier eingelebt.

Daher fiel es ihm auch leicht, seinem Gefährten im
Ton eines Cicerone zu bedeuten: „Dies ist das Haus
unsres Musterwirtes, ,Zum König Salomo' genannt,
kürzer, Salomo er selbst. An Großräumigkeit nimmt
Haus und Hof es sicherlich mit der Burg des alten
Judeukönigs auf, von dessen Harem abgesehen.

„Auf dieses Glockenzeichen thut sich das Bogenthor
auf und cs erscheint, einem Wichtlein am Eingänge des
Schachtes vergleichbar, Knipperdolling mit einer Laterne,
unser künftiger Atelierdiener, sonst wohlbestallter Haus-
knecht, und Hans genannt. Er hat Säbelbeine, ist ruppig
und struppig, auch merklich wortfaul, im übrigen aber
hurtig und nicht ohne Witz.

„Wenn wir Glück haben, so wacht noch die kleine
Schaffnerin, Tuschen, ein brauner Erzschelm, noch Back-
fisch, aber mit einem Möndchen, das küssenswert ist."

Und das Thor öffnete, Knipperdolling zeigte sich,
und als die zwei die hölzerne Treppe hinaufstapften,
trat, das Licht in gehobener Hand, so daß das forschend
geneigte Köpfchen von einem reizenden Helldunkel umspielt
ward, aus einem oberen Gelaß Suschen hervor.

„Wie, Herr von Pichler, Sie hier? Das verdient
wohl rot angestrichen zu werden. Im vorigen Sommer
haben wir Sie vergeblich erwartet. Gotts Willkommen,
Ihnen und Ihrem Freunde!"

Das ward mit glockenheller Stimme gerufen.

Der Angesprochcne strich sich mit der Linken den
schönen Bloudbart, als ob auf denselben mit angcspielt
worden, betrachtete das Mädchen mit herzlichem Wohl-
gefallen und sagte vermittelnd: „Mein Freund Vogl, auch
,Vogl der lose' gescholten, trotzdem sein Geschmack so
unglücklich ist, daß er lieber einen mageren Klepper oder
einen bissigen Köter als ein lächelndes Holdgesichtchen malt
— Suschen, unser guter Hausgeist, das salomonische Kind!"

„Dank der Ehre!" erwiderte das Mädchen, beiden
die Rechte darbietcnd.

„Nun, Suschen", drängte unbefriedigt und schmun-
zelnd zugleich Pichler, kennst du die Stelle nicht mehr,
darauf du dein Abschiedsschmätzchen gedrückt hast? Sie
möchte nicht ungegrüßt bleiben..."

„Zeit und Weil' ist ungleich", meinte munter ab-
lehnend das Wirtstöchterlein, „und ein Fußsteig hört auf,
wenn Gras darüber gewachsen."

„Kann man so spröde werden gegen alte Freunde?"

»Ihr Bart ist auch länger geworden und ich möchte
wetten, daß Sie Ihre Bilder nun teurer verkaufen."

„Und ich, Fräulein Susi, will noch das kurze
Röckchen auffinden, das denn doch erst versuchsweise kann
abgelegt worden sein."

„Meinetwegen, Wenns nicht schon der Hausiererin
in die Hände gefallen ist."

Und mit dem Lichte vorschreitend, fuhr Suschen
fort: „Sie, Garstiger, nehmen wohl wieder mit der
Wohnung vorlieb, welche die Aussicht in die Berge hat,
und Ihnen, Herr von Vogel, sagl vielleicht das Zimmer
des alten Herrn Professors zu, der für seine gemalten
Ochslein mehr einnimmt als mein Vater für die leben-
digen . .. Und nun eine geruhsame Nacht!"

Die Wanderer fanden sich gut aufgehoben und
blieben, nachdem ihnen Knipperdolling guten Tiroler und
einen kalten Imbiß aufgetischt hatte, noch eine Weile
plaudernd beisammen.

„Du", meinte Vogl, „dein Suschen ist längst kein
Backfisch mehr."

„Wohl möglich", erwiderte Pichler nachdenklich.

„Sie versteht ihr Zünglein zu führen, als ob sie
alte Vorrechte kaum mehr anerkennen wollte."

„So scheints."

„Und wenn sie ihr Herz nicht schon verschenkt hat,
so . . ."

„Nun, so . . . ?"

„Weiß sie wenigstens, was sie daran hat, und hütet
es. Die Rose hat Dornen, welche an der Knospe mög-
licherweise noch unsichtbar gewesen."

„Du willst sagen, daß ich dieselben zu fühlen be-
komme?"

„Das mußt du besser wissen. Ich an deiner Statt
würde voriges Jahr nicht ausgeblieben sein."

„Und du bist vielleicht eben recht gekommen."

„Das hätte sich anders zeigen müssen; aber wo
einem etwas Holdes keimt, da sollte man fleißiger Nach-
schau halten."

„Gefällt dir Susi?"

„Für einen, der zwei Jahre lang ihren Abschiedskuß
im Gedächtnis behielt und als er wieder kam, die Fort-
setzung des Koscspiels als selbstverständlich annahm, fragst
du sonderbar."

„Du glaubst doch nicht im Ernst...?"

„Ei gewiß, daß du nicht gleichgültig dareinschen
würdest, wenn ein andrer da Ernst machte."

„Possen! Versuch' dein Glück."

„Ich wollte auch nicht erst um deine Erlaubnis ge-
beten haben."

„Bedenk', ich habe einen Vorsprung."

„Über deine Erinnerung ist sie hinausgewachsen."

„Und du schmeichelst dir, auf sie Eindruck gemacht
zu haben?"

„Du hast mich bei ihr eingeführt, du mußt dich
also schon im voraus der Eifersucht begeben."

„Besitzsicher, wie ich bin."

„Und von ihr in bescheidene Grenzen zurückgewiesen."

„Sorge vorerst, daß du zu Gnaden ausgenommen
wirst; dann sprechen wir weiter davon."

„Der Wein ist gut; mir scheint, als Schlaftrunk
thut er seine Schuldigkeit."

„Du willst aufbrecheu; ich begleite dich den Gang
hinüber auf deine Stube."

„Gute Nacht denn! Und wer süßer von Suschen
träumt?"

„Behält's für sich."

„Auch recht! Ein artiger Empfang wars immerhin."

(Die Fortsetzung im nächsten Hefte)
 
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