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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Grasberger, Hans Nepomuk: Streich um Streich, [3]: Künstlernovelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0181

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Streich um Streich. Uünstlernovelle. von Lj. Grasberger

Z25

artigen Geselligkeit, sei es, daß er das Schilf am Weiher
belauschte oder sich in die Schatten des Waldtümpels
vertiefte; sei es, daß er einem klaren Schkängelbächlein
folgte, einen Baumschlag aufnahm, vor einem sprühenden
Mühlrad hielt, oder aber das abendliche Glutweben
hinter Baum und Strauch trunkenen Blickes einsog.

Der Landschafter soll ja Himmel und Erde, Lust
und Wasser beherrschen, und jedes dieser Elemente ist
von unendlicher Mannigfaltigkeit in seinem Formen- und
Farbenspiel. Wer sich nicht gehörig umthut, gerät ins
Einseitige, so daß ihm vielleicht der Vordergrund gelingt,
aber nicht auch die Tiefe und Ferne, so daß er nur dieser
und keiner andern Jahres- oder Tageszeit nachhängt, so
daß er den Alpenboden trifft, aber die Bäume darauf
wie Besen aussehen macht, so daß er sich in eine trübe
Stimmung verrennt und für Sonnenlicht, Helles Blau und
freundliches Grün die Empfänglichkeit einbüßt, so daß
ihn das Flußthal, das Weideland oder die Bergwelt nicht
mehr losläßt.

Gewiß, in der Beschränkung zeigt sich der Meister,
und so mag der Mondschein-, der Ebenen- wie der
Gletschermaler seine Sonderberechtigung haben. Und der
Stimmungsmaler obendrein, der die Natur für eine ver-
wöhnte Dame ansieht und eben nur deren absonderliche
Launen und Gelüste interessant findet.

Aber selbst der Stimmungsmaler muß in unfern
naturwissenschaftlichen, unfern naturalistischen Zeitläufen
verläßliches, getreues Detail aufbieten. Das wußte Pichler
und daher war er nicht minder emsig als sein Freund
Vogl.

Ihr Verkehr mit den Wirtslenten blieb freundlich
und heiter naöh wie vor. Aber jedes hatte für sich zu
thun, man begegnete einander nur flüchtig und zu einem
vollen Plauderstündchen kams selten.

Susi insbesonders mußte auch aufs Feld hinaus;
sie trug den Knechten und Mägden das Essen zu, rastete
mit ihnen, in die eben gebundenen Garben oder in das
gehäufelte Frischheu geschmiegt, half wohl selbst auch mit
dem Rechen mit und fuhr mit den Dirnen zu oberst auf
dem Erntewagen heim.

Von solcher Höhe, als die Lieblichste in der lagernden
Gruppe, sah Susi eines Abends am Staketenzaun eines
ziemlich einfichligen Gartens den roten Pichler — er war
nicht wohl zu verkennen — und des Löwenwirts Tochter,
nach ihrem Temperament die wilde Rest genannt, in
heimlichem Gespräche beisammen. Das Mädchen hatte
dem Maler die Rechte zärtlich aus die Schulter gelegt
und ihre Linke schien seinen Flammenbart zu streicheln.

Susi verstummte plötzlich und wie tief sie. errötete,
ließ eben nur die Dämmerung nicht gewahren. Die
Dirnen auf der Fuhre waren guter Dinge, daher Susi
nicht Mühe hatte, ihre schmerzliche Verlegenheit zu ver-
bergen. Es ist wohl zu glauben, daß ihr jäh ein Stich
durchs Herz gegangen.

Aber eine tüchtige Natur ist sich ihres eigenen Wertes
bewußt. Susi zuckte nur flüchtig zusammen, sie ließ ihr
Köpfchen nicht sinken, sondern den Rücken ausrichtend und
frei vor sich blickend murmelte sie, nur sich selber ver-
nehmbar: „An seinen Bart scheinen sich Viele zu hängen.
Es ist Zeit, daß ich meine Kinderei abthue."

Und sie ging heute Wohl mit andern Gedanken zu
Bett als damals, da die beiden Maler angekommen.

Und von diesem Abend an gab sich das schöne Kind

gemessener. Sie blieb zwar noch immer keine muntere
Antwort schuldig, aber die Scherzreden Pichlers schienen
ihr weniger zu behagen als die geräuschlosen, sinnigeren
Aufmerksamkeiten des andern.

Dieser andre stand jenem an vorteilhafter, ge-
winnender Erscheinung nach, aber, wie ein guter Beob-
achter bald wahrnehmen mußte, sein Wesen war gehalt-
voller, fertiger. Er ließ seinen Witz mitspielen, wenn es
auf Unterhaltung ankam; sonst aber waltete bei ihm das
Gemüt vor. Frohmut verklärte zuweilen sein Gesicht,
doch Sammlung und Ernst gaben demselben ein bedeut-
sameres Gepräge, während Pichler, wenn er nicht gut
aufgelegt war, oft laß und leer erschien. In gehaltvoller
Schelmerei war Vogl all seinen näheren Bekannten über-
legen, und das, nichts andres hat ihm den Spitznamen
des losen eingetragen.

In dem Maße, in welchem Susi nicht nur mitzu-
tändeln und auf einen neckenden Anruf Bescheid zu geben
verstand, sondern sich auch einer feineren Regung, einem
tieferen Worte zugänglich erwies, gewann der Verkehr
mit ihr für Vogl mehr Reiz. Auch hatte es den An-
schein, als verkenne sie ihn weniger, wenn er sie Nach-
denken, als wenn er sie lachen machte.

Bei schicklicher Gelegenheit ließ Susi dem losen
gegenüber die lose Bemerkung fallen: „Mich deucht, die
Maler sind ein bischen leicht, zumal die mit schönem
Bart."

Vogl merkte die Spitze, that aber, als hätte er nicht
recht verstanden, und antwortete: „Er fiel schon auf der
Akademie durch seinen Bart auf, er hatte viele Freunde
und keiner ist von ihm abgefallen, ich am allerwenigsten."

„Sie haben recht", sagte gleichgültig das Mädchen,
was kaum besser paßte als Vogls Entgegnung.

Eines Vormittags hatten beide Künstler einen frucht-
baren Einfall. Ihr Aufenthalt ging schon zu Ende und
sie waren im Haus und im Ort längst nicht mehr die
einzigen, welche Farben und Slifte verbrauchten.

Der Einfall, der doppelte, war aber geartet, wie
folgt:

Pichler sah mit morgenregem Sinne zum Fenster
hinaus; das große zweiflügelige Hofthor gegenüber stand
offen. Dahinter, fern und doch nicht zu fern, war die
Berglandschaft sichtbar, zwar nur ein Ausschnitt derselben,
aber ein prächtiger.

Der Landschafter schlug sich mit der Hand vor die
Stirn und rief aus: „War ich bisher denn blind? Was
ich vor mir sehe, ergibt ein Bild, ein gelungenes, abge-
rundetes Bild; nichts braucht verrückt, nichts gestellt zu
werden — alles sitzt! Und der aufsteigende, sonndurch-
glühte Nebelflor, der den Berggipfel umringt, ohne ihn
zu verdecken, verleiht dem Ganzen Stimmung. Kompo-
sition, Farbenskizze erspar' ich mir; hier gilts rein nur
abzuschreiben. Aber das Hofthor muß offen bleiben."

Wundere sich niemand; durch das Schlüsselloch einer
Gartenthür auf dem Aventin erblickt man die herrlich
aufstrebende Peterskuppcl; auf der Eisenbahnbrücke bei
Hüttau wird man so vollständig wie kaum anderswo des
Dachsteins ansichtig und von einer Stelle auf dem Bisam-
berg bei Wien reicht der Blick bis zum edelgeformten
Felshaupt des Traunstein.

Einige Stunden später als Pichler hatte Vogl seinen
Einfall.

Er lehnte sich zum Fenster hinaus, die brennende
 
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