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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Pecht, Friedrich: Die Karlsruher Landschafterschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0195

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Die Uarlsruher Landschafterschule

Erfolge erringend, allmählich die Aufmerksamkeit des ganzen Vater-
landes auf sich gezogen hat. Wie verschieden auch unter sich, gehören
beide Meister als ehemalige Schüler Liers doch der Richtung an,
die inan mit einem sehr dehnbaren Wort als die naturalistische zu
bezeichnen pflegt, obwohl der eine vielleicht richtiger Kolorist und
der andre Stimmnngsmaler getauft würde. — Suchen wir sie nun
in ihrer jetzigen neuesten Periode kurz zu charakterisieren.

Der Schwabe Schönleber hat sich früh als Illustrator durch
seinen malerischen Sinn bekannt gemacht, der ihn denn auch vom
Bodensee bis an den Pregel Schätze finden lehrte, die niemand
vorher geahnt. Dabei gewöhnte er sich sehr bald an die gewandte
Ausnutzung der Vorteile, welche die Verbindung der Architektur mit
dem durch seine Spiegelung den Reiz der Bauwerke so sehr erhöhen-
den Wasser darbietet. Obwohl er nun das feinste Auge für die
malerische Verwendung der verschiedensten Baustile ausgebildet, be-
nützt er sie doch weit mehr zur Ergänzung des Farbenkonzertcs
oder als wohlthuenden Gegensatz ihrer festen und regelmäßigen Formen
zu den lockeren und willkürlichen der Luft und des Wassers, wie
Baisch dies mit den Figuren von Menschen und Vieh oder den
Schiffen ziemlich genau ebenso zu machen pflegt. Denn beide Künstler
gleichen sich darin, daß ihnen die Totalwirkung über alles Einzelne
geht und es dem einen ebensowenig um eine genauere Individuali-
sierung der Häuser, als dem andern um die der Ochsen und Kühe
zu thun ist. Sinn für große Form und jene Harmonie der Er-
scheinung, die man Stil nennt, haben sie übrigens beide. Gemeinsam ist ihnen auch die Vorliebe für Strand-
szenen, weil ihnen die Darstellung des Wassers und der Luft als des Lebendigen, in ewiger Änderung Be-
griffenen und darum Fesselnden vor allem am Herzen liegt. Jndeß verläuft sich Schönleber deshalb doch von
Zeit zu Zeit ebenso gerne in die winkeligen, aber urgemütlichen Gassen schwäbischer Städtchen, oder an die baum-
besetzten Staden holländischer Kanäle, als der Tiermaler Baisch seine Herden gerne ans die bayerische Hochebene
und durch ihre wunderbar malerischen Dörfer und Hohlwege treibt, oder sie die fetten holländischen Wiesen ab-
grasen läßt. —- Denn ursprünglich sich nur auf die Darstellung der deutschen Natur beschränkend, haben beide
Künstler gerade in neuerer Zeit mit Vorliebe sich der eine nach Italien, der andre nach Holland gewendet.
Hier bei elfterem hat aber Schönleber doch selbst der Auffassung des so übermäßig oft dargestellten Landes
ganz neue Seiten abzugewinnen verstanden. Wenigstens bei der Riviera, die ihn neuerdings besonders be-
schäftigte. Während er also bei der Venedigs oder Roms das Grandiose ihrer Silhouetten vortrefflich wieder-
zugeben versteht, wie man an seinem hier mitgeteilten glänzenden
Dekorationsstück der Salute oder an dem vor einigen Jahren ge-
malten Castel St. Angela samt dem Vatikan sehen kann, so hüllte er
dagegen, alle glänzenden Farben der Vorgänger verschmähend, die
felsigen User der Riviera mit ihren einander auf den Köpfen stehenden
Bauwerken vielmehr in einen feinen graugrünen Duft, wie sie viel-
leicht noch nie dargestcllt worden sind, so reizend das auch anmutct.
Oder er ließ die See im wildesten Sciroccostnrm sich an dem Felscn-
nser brechen, wie in dem großen, vor zwei Jahren in München preis-
gekrönten Bilde von Ouinto al mare. Hier waren Luft und Wasser
allerdings so sehr Hauptsache, daß die an die Felsen wie Schwalben-
nester angeklebten Häuschen freilich nur dazu da zu sein schienen, um
sich vor der Wut der Elemente zu verkriechen. Das gab nun ein
Stimmungsbild ersten Ranges, wie sie aus Italien aber nur selten
geholt werden, da dessen klassische Formen eigentlich romantischer
Stimmungsmalerei so widersprechen, daß man es sonst nur im ewigen
Sonnenschein, mit azurblauem Meer darznstellen erlaubt glaubte, wenn
man nicht seiner Sonnenuntergänge glühende Pracht gleich Oswald
Achenbach wiedergeben mochte, der sie bis dahin gepachtet. Ist cs
aber immer gewagt, das unzweifelhaft vorhandene dämonische Element
einer von aller Welt mit Recht ob ihrer Schönheit bewunderten
Natur, wenn auch mit noch so großer Meisterschaft, darznstellen,


H. Baisch

I. llalliiwrgrn
 
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