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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Grasberger, Hans Nepomuk: Streich um Streich, [4]: Künstlernovelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0200

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Streich um Streich. Küiistlernovelle

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Es kann, cs darf nicht anders sein! Schon bei dem
ersten Anblick fand ich, das; Pichler diesem gehaltvollen
Wesen nicht gerecht wurde. Sie ist trotz ihrer Munter-
keit, trotz der Schlagfertigkeit ihres Geistes eine tüchtige,
eine ernste Natur. Witz, Humor als Schiller des Lebens,
ja, aber der Kern muß Saft und Kraft haben. Ein
leichtes Obenhin, so viel Anregung und Zeitvertreib damit
verbunden sein mag, würde sie für die Dauer nicht be-
friedigen. Sie muß tief wurzeln. Welch merkwürdiges
Wort sie doch neulich fallen ließ! Sie mißtraut uns —
aber daß sic's gerade mir zu beherzigen gab? Und hat
sie Unrecht? Gerade mich hat cs gedrängt, ihr anders
zu huldigen, ihr Einblicke in mein Wesen zu gewähren,
und sie hat cs mir nie verübelt, mir nie Verständnis
und Teilnahme versagt. Der Feuerbart mag ihre Phantasie
beschäftigt haben, aber nun ahnt sie vielleicht sogar, daß
er anderswo gezündet. Und darf ich mich nicht auch
selbst fühlen? Ich weiß, was ein rechtschaffenes Weib
wert ist und was ich ihm sein kann, was ich ihm als
Widerlage zu bieten vermag. So sei's denn gewagt!
Es muß ja zur Entscheidung kommen. Echt bürgerlich
will ich freien, und so sagt es meiner Natur zu. Täusch'
ich mich nicht, so wird das Festmahl für mich gerüstet
und ihr sollt das Nachsehen haben..."

Derart waren die Gedanken des einsamen Spazier-
gängers.

Bei dem gemeinschaftlichen Mittagstisch fehlte Vogl.

Gegen Abend nahm
er die Gelegenheit
wahr, erst mit dem
Alten, dann zugleich
auch mit der Frau
Salomo zu sprechen.

Alle drei begaben
sich sodann in die
Prunkstube.

Nach einer Weile
wurde Susi gerufen,
die eben vom Feld
heimgckehrt war.

Sie hatte, als sie
eintrat, noch Kleid
i und Ärmel aufge-

schürzt. Auf ihren
Wangen war Pfirsich-
rot; lebhaft und neu-
gierig blickten ihre
Rehaugen. Die Eltern
ernst und erwartungs-

Aus G. Schön lebers Skizzenbuch

Voll, der Maler im Heiligtum des Hauses: „Sagt, was
gibts denn? Was habt ihr vor?" fragte sie, wie
ahnungsvoll erglühend.

Vogl erhob sich und trat ihr mit den Worten ent-
gegen: „Liebes Mädchen, ich biete dir im Beisein deiner
Eltern, welche diesen meinen Schritt nicht mißbilligen,
Hand und Herz an. Wie hoch ich dich stelle, konntest
du aus manchem meiner Worte entnehmen; daß ich dich
liebe, ließ dich vielleicht nur dein maidlichcr Sinn noch
nicht ahnen; daß ich dir ein rechtschaffener Gatte sein
will und werde, gelobe ich hier feierlich..."

Sufi hielt die Augen gesenkt; sie bebte am ganzen
Körper und ihr Herz schlug fast hörbar.

Dann sich anfrichtend, antwortete sie dem Werber
mit vollem Blicke: „Lieber Mann, deut' es nicht als un-
ziemlichen Freimut, wenn es mich drängt zu bekennen,
daß dein Wort mich beglückt, aber nicht überrascht. Ich
habe cs geahnt, habe nach ihm verlangt, ihm entgegen-
gezittcrt und mein Herz hat längst darauf Ja und Amen
gesagt. So nimm mich denn hin und bilde mich deiner
würdig, ich..."

Das Wort versagte ihr; sie brach zusammen und
die Arme des Liebenden umfingen eine Schluchzende.

Abends versuchte Vogl ein gleichgültiges Gespräch
mit seinen; Freunde. „Hent' ist im Hause geschlachtet
worden", begann er.

„Ja wohl", erwiderte Pichler, listig lächelnd.

„Man erwartet vermutlich auch Gäste."

„Ja wohl."

„Gehts mit deiner Arbeit vorwärts?"

„Ja wohl; und wie stehts mit deiner?"

„Ich mache hier keinen Pinselstrich mehr."

Darüber verwunderte sich Pichler. Aber Vogl sah
nicht gekränkt aus, und das beruhigte ihn wieder.

Susi ging zu und ab, doch ihr Mündchen schien
trotzig, ihre Gedanken schienen abwesend zu sein. Ans
Kurzweil sannen die Maler ja selbst auch nicht.

Der Festtag war da und die Gäste kamen ange-
fahren — insgesamt junges, lebensfrohes Künstlerblut,
aus nah und fern verschrieben, den beiden Bekannten
wie zunft- auch strebensverwandt, und ihnen als Freunde
für jede gute Stunde zu Willen. Es störte mit nichten,
daß da auch ein junges Frauchen, dort eine heitere
Schwester mit erschien. Grämliches hatte wie selbstver-
ständlich sich ausgeschlossen.

Dafür vermerkte Pichler mit einigem Befremden,
daß nicht nur der lustige Wirt, sondern auch dessen um-
ständliche Frau, ja sogar einige Philister, wie der Schul-
lehrer Erhärt und der dicke Holzhändler Stößl, beides
Verwandte der Frau Salomo, sich mit zu Tische setzten.

Die muntere Susi ordnete das „Aufträgen", aber
sie gab sich dabei so ernst und würdevoll, wie nie zuvor.

Den eigentlichen Festgeber durften diese Umstände
allerdings nicht außer Fassung bringen.

Im Gegenteil, der rote Pichler war bei köstlicher
Laune; er übertraf sich selbst an geistreichen Einfällen
und glücklichen Schnurren. Das Eis ist längst gebrochen;
er ist der Stimmung Meister und das flotte Fahrzeug
zu lenken, ei, das versteht er.

Als gewandter Spieler liebt er zu gastieren, eh' er
die Karte aufhebt, er weiß Spannung zu erzielen, eh' er
den sicheren Trumpf ausspielt. Und der Lacherfolg kann
nicht ansbleiben, heute weniger denn je, denn Pichler der
 
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