Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

DOI Artikel:
Die Jahresausstellung der Düsseldorfer Künstlerschaft
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0264

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
202

Die Jahres-Ausstellnng der Düsseldorfer Rünstlerschast

ist die Stimmung darin, die in den Liedern Theodor-
Körners aus jener Zeit: Ruhe vor dem Sturm, denn
„das Volk steht auf, der Sturm bricht los, wer legt
noch die Hände feig in den Schoß?!" Die Männer und
Jünglinge, welche da in der einfachen Torskirche in einer
Reihe vor dem Pastor knien, der sie, die in den Krieg
zur Befreiung des Vaterlandes von der Fremdherrschaft
ziehen, einsegnet, sind überzeugend glaubhafte Typen der
Zeitgenossen der Königin Luise und Blüchers. Hier ein
gereifter Mann, der sein Amt verläßt, um den heiligen

Kampf mitzukämpfen; neben ihm ein Jüngling, dem der
erste Flaum um das Kinn sproßt. Dann ein Familien-
vater, den Weib und Kind in die Kirche begleitet haben und
die sich an den Teuren schmiegen, der die Arme um sie ge-
schlungen hält, Männer aus allen Ständen und Berufen,
alle beseelt von einem Gedanken und einer Empfindung,
dem feierlich frommen und vor Gott demütigen Opfer-
sinn für das teure Vaterland. Das ist jene Zeit und
jene Stimmung, die Schiller vorahnend in seinem Tell
kennzeichnet. „Wir wollen bauen auf den höchsten Gott
und uns nicht fürchten vor der Macht der Menschen."
So sprachen die Schweizer auf dem Rütli, bei dem Schwur
der Eidgenossen. — In der malerischen Behandlung zeigt

Arthur Kampf eine noch gereiftere Meisterschaft; das
figurenreiche Bild ist in der Wirkung vorzüglich. —
B. Vauticrs treffliches Bild „Ein Gast im Herren-
stübchen" ist von der letzten Münchener Jahresausstellung
her bereits bekannt und gewürdigt worden. — Eduard
v. Gebhardts neuestes Bild „Christus in Bethanien"
zeigt den Heiland im Hause des Lazarus, zum Besuche
bei ihm und seinen Schwestern Martha nnd Maria. Die
Art und Weise, wie v. Gebhardt die heilige Geschichte
auffaßt und darstellt, ist bekannt. Auch hier ist das
Zimmer, worin Christus die Geschwister be-
sucht, ein Interieur des 16. Jahrhunderts.
Lazarus sitzt an einem Tische, Christus gegen-
über. Die Schwestern Martha und Maria
sind eigenartig und geistvoll, höchst individuell
charakterisiert; die Gestalt Christi ist dieselbe,
die wir aus andern Darstellungen des Künst-
lers kennen. Die malerische Behandlung und
Ausführung sind von höchster Feinheit und
eines Meisters wie v. Gebhardt würdig.
Außer diesem Bilde, einer Perle der Ausstel-
lung, hat der Künstler auch Bildnisse ge-
bracht, welche seine eminente Begabung, eine
Persönlichkeit in ihrer Besonderheit charakte-
ristisch aufzufasscn, von neuem zeigen. Ein
wuchtig wirkendes, genial dargestelltes Schlach-
tenbild ist Theodor Nocholls „Kampf um
die Standarte". Der wilde Reiterkampf,
den Rocholl hier znm Vorwurf genommen
hat, preußische Kürassiere mit französischen
in heißem Ringen um das Palladium, kann
nicht lebensvoller dargestellt werden. —
Ferdinand Brütt, der ausgezeichnete geist-
reiche Sittenschilderer, bringt eine Bahnhofs-
szene. Wir sehen die Halle eines Bahnhofes
einer größeren Stadt. Soeben ist ein Zug
eingelaufen, und die Angekommenen eilen
heraus, teils geschäftig, einer sich nicht um
den andern kümmernd; andre begrüßt und
bewillkommnet von Angehörigen, der Vater
von seinen Kindern, der Bräutigam von der
Braut, der Freund vom Freunde u. s. w.
Brütt weiß solche Szenen aus dem Leben mit
einer großen Aktualität darznstellen; er besitzt
einen merkwürdig scharfen Blick für die Wirk-
lichkeit und das Wesentliche der Erscheinung.
Dabei ist sein Vortrag geistreich und in
hohem Grade fesselnd. — Emil Schwabe,
ebenfalls ein geistreicher Beobachter und Schil-
derer, der das moderne Leben nicht nur mit
dem körperlichen, sondern auch „mit des Geistes Aug'"
erfaßt, zeigt in einer größeren Grisaille „Der Arbeiter-
ausschuß" seine besondere Begabung, einen Stoff von
Aktualität in künstlerisch bedeutender Weise zu be-
handeln. Die Charakteristik der Arbeiter auf der einen
und der Arbeitgeber auf der andern Seite ist sehr be-
deutend, frappant und läßt Schwabe als einen berufenen
Sittenmaler unserer Zeit erkennen. — C. L. Bokel-
manns neuestes vorzügliches Werk ist „Eine Konfirmation
in Oekholm (Nordfriesland)". Dieser Künstler malt mit
Vorliebe Szenen aus dem Leben des in seinen Sitten,
Gewohnheiten und Gebräuchen so zähen urdeutschen Volks-
stammes der Friesen. Die Konfirmation ist in der



Ein Gxburlslagsschmaus

Zeichnung nach seinem Hlgemälde von Heinrich Schwicring

Düsseldorfer )abres-Ausstellung 1894
 
Annotationen