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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Rnsrc Vilder

vom kjerausgeber

ill inan die französische Kunst bewnnderir lernen,
so muß mau sie genießen, wenn sie Pariser ele-
gantes Leben schildert und uns die Göttinnen der cly-
säischen Felder, nicht die des Olymps oder gar des
christlichen Himmels, vorführt. So ein Stuck Salon-
Virtuosentum wie cs hier Anblet in seiner „Neuen
Partitur" gibt, das versteht sie meisterhaft. Oder glaubt
mau nicht unbedingt an die Wahrheit dieser Schilderung,
wenn wir da sehen, wie ein Schüler Liszts oder Wagners
vier Damen von der Creme der Gesellschaft nnd ein paar
Freunde eingeladen hat, um ihnen die neueste Offen-
barung des Bayreuther Genius vorzutragen? Dieses
weibliche Publikum hat ihm zwar längst seine Locken ge-
kostet, aber das schadet dem durch die hohe Stirn nur
noch interessanter gewordenen, noch immer hübschen
Manne nichts in den Angen der Damen, die einen un-
erhörten Eifer entwickeln, die Feinheiten seines Spiels
in nächster Nähe zu genießen, ja ihm die Notenblätter um-
wenden, um ihm doch wenigstens dadurch gefällig sein zu können.
Und wie köstlich sie charakterisiert sind, jede wieder anders,
und doch jede ganz und gar zum laut Laris gehörig —
ach, mau fürchtet unwillkürlich, sic werden den Tonkünstler
bald ganz kahl hinterlassen. Dazu der reizend elegante
Salon, so echt künstlerisch eingerichtet, wie cs in Paris
nur die Gouconrts, in Deutschland nur Makart ver-
standen, mit dem prächtigen Gobelin an der Wand, auf
dem Venus den zur Jagd aufbrccheuden Adonis zurück-
zuhalten strebt — überall Trophäen und Andenken
hängend, japanische und keltische Waffen, Rcuaiffancc-
Prachtstücke, indianische Skalpe — das Piano selber aber
unter den herrlichsten Blumen ganz vergraben, so daß
man schon gar nicht daran zweifeln kann, wie hier nur
gute, d. h. Wagnersche Musik gemacht werde, wo alles
so berauschend und zugleich so harmonisch aussieht. Dieses
Stück elegantes Zigeunertnm konnte nur ein Franzose
so schildern, weil es eben nur in Paris so existiert.

Nächst den Pariserinnen bringen es eigentlich nur
die Polinnen zu vollendeter Eleganz, wie uns diesmal
Czachorskis kränzeflechtendes Fräulein beweist. Nicht
ohne echte Anmut, wenn auch nicht mit so vollkommener
Freiheit wie Aublets Pariserinnen, die innerlich leidlich
kühl bleiben, indem sie mit dem hübschen Virtuosen ko-
kettieren, während unser Fräulein offenbar mit seinen
Gedanken ganz wo anders ist, als bei den Rosen, welche
Geistesabwesenheit ihr aber allerliebst steht, da zwar
nicht so viel künstlerisches Raffinement, aber mehr Natur
dabei ist. Schon weil sie entschieden jünger ist als jene,
schwer auf ihr Alter zu schätzenden Damen, zu deren
ewiger Jugend die Kunst der Malerei kaum weniger
beigctragen, als die des Friseurs und der Modistin,
während unsre Polin nicht weniger frisch ist als ihre
Rosen.

Gelingt die Vereinigung von moderner Eleganz mit
vollkommener Unbefangenheit den deutschen Darstellern
fast nie, so treffen sie um so besser den Ton gemüt-
vollen Volkslebens, naiver Daseinslust, die beide den in
Paris wohnenden Künstlern schon darum selten oder nie
gelingen, weil sie dieselben nie zu sehen kriegen,
während unser Eberle das fröhliche Familienglück, das

er in seinem „Verspäteten Mittagessen" mit so echter
Wärme schilderte, in jedem oberbayerischen Torfe unge-
fähr so beobachten konnte. Daß er uns aber den eben
erst aus dem Wald nach Haus gekommenen Förster im
Kreise seiner Lieben mit so überzeugender Wahrheit
wiedergab, das ist freilich ganz sein, wahrlich nicht
geringes Verdienst. Tenn das kann nicht bestritten werden,
daß er ebenso wahr nnd vielleicht noch erquicklicher diese
engbegrenzte Welt malte, als der Franzose die seinige,
und dabei im ganzen doch erfrischender anmutet. Tenn
er gibt Natur und jener nur Kultur, ein künstliches,
wenn auch hoch verfeinertes Dasein. Es ist nun aber
gerade der Berns der Kunst, oder doch ihr schönstes
Vorrecht, uns von der Konvention einer überfeinerten
Gesellschaft wieder zur Natur zurückzuführen — wo die
Kunst am höchsten, ist sie der Natur am nächsten —
nun gibt uns Anblet aber prickelnden Champagner, während
uns Eberle mit einem Trunk kristallhcllen frischen Qucll-
wassers bewirtet. Beides hat sein Recht, nur bleibt man
beim Wasser oder Bier gesünder, was des Försters
Töchterlein offenbar auch zu finden scheint, die den Augen-
blick für günstig hält, um aus des Vaters Glas zu
naschen. Noch besser fast als die Menschen sind indes
die Hunde in dieser lieblichen Idylle, die so erwartungs-
voll dastehcn nnd auch noch einen Knochen zu erhaschen
hoffen. Durch diese ganze Familienszene zieht aber ein
Zug von Wärme und Liebe, der uns Deutschen wenigstens
diese Welt alsbald sympathischer und ansprechender macht,
als die pariserische. Und warum das? Offenbar weil die
einzelnen Glieder derselben weit inniger mit einander
verbunden sind, als die so meisterhaft gegebenen Salon-
figuren Aublets, die doch eigentlich nur durch die Eitel-
keit gefesselt werden, und von Harmlosigkeit und Un-
schuld, deren Darstellung im Kunstwerk immer am meisten
erfreut, schon gar keine Spur mehr vorhanden ist.

Wenn es aber, wie wir oben behauptet, der Beruf
der Kunst bleibt, uns immer wieder zur Natur zurück-
zuführen, und sich der Wert der Kunstwerke nach dem
Maße von Reinheit und Lauterkeit oder Größe und
Erhabenheit bemißt, mit dem ihnen dies gelingt, so ist
dies starke Naturbedürfnis auch der Grund, weshalb uns
die landschaftliche Darstellung oft so tief fesselt. Weshalb
gehen wir alljährlich ins Gebirge oder an die See, als
weil uns die Natur dort so ganz überwältigend und
machtvoll entgegentritt. Je mehr sie das aber thut, um
so schwerer wird es, sie wiederzugeben, und daß es ihm
gelang, etwas von dieser ernsten Erhabenheit des Hoch-
gebirges in sein Bild zu bringen, das macht den un-
bestreitbaren Reiz von Steffans „Alpe gegenüber dem
Glärnisch" aus, mit der dieser Veteran unsrer Land-
schafter einen neuen Beweis seiner ungeschwächten Kraft
gab, da einem daneben unstreitig alle bisher geschilderten
Menschen mit ihrem unruhigen Treiben sehr kleinlich Vor-
kommen. Es ist das beiläufig bemerkt ein rein sinn-
licher Eindruck: weil alle großen Linien und Massen der
Komposition in kleine unruhig flimmernde aufgelöst werden
auf diesen Bildern. Sieht man dagegen den Weltschöpfer
des Michel Angela, die Vision des Ezechiel oder die
Madonna di San Sisto des Rafael, so wirken diese mit
 
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