Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

DOI Artikel:
Unsre Bilder
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0303

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Unsre Bilder, vom Herausgeber

und Schülern, also durch ein ideales Moment zu adeln
und uns dadurch auch zu versöhnen wußte. Rembrandt
ist das freilich mit rein malerischen Mitteln noch besser
gelungen, indem er die Szene teilweise in dämmerndes
Halbdunkel hüllte, wo dann das malerische Kostüm und
der feierliche Ernst seiner Ärzte das übrige that. Ganz
ist indes selbst er auch nicht der Gefahr entronnen, ab-
stoßend zu wirken, während man an dieselbe doch bei der
noch viel roheren Kreuzigung z. B. gar nicht denkt, weil hier
der für seine Mitmenschen sterbende Christus ihr ein voll-
kommenes Gegengewicht bietet.

Daß die wildeste Wut der Elemente
uns lange nicht so stört wie die kalte Ruhe
der Menschen bei fremdem Leiden, ja daß
sie uns unter Umständen sogar einen hoch-
poetischen Eindruck machen kann, zeigt
uns Schönlebers berühmtes Bild von
„Quinto al mare". Oder ist das etwa nur,
weil diese Wut so vergeblich anprallt an
dem festen Trotz der Felsen, auf denen sich
das italienische Nestchen angesiedelt hat? Wie
dein auch sei, der Künstler hat es meisterhaft
verstanden, diesem Aufruhr der Natur sogar
etwas mächtig Ergreifendes, ja Erhabenes zu
geben durch die Wahrheit und Großartigkeit
seiner Schilderung. Vor diesem rastlosen
Anstürme der Fluten scheinen sich die kleinen
Häuschen eben jetzt erst entsetzt den Berg
hinan geflüchtet zu haben, wie schutzsnchend
vor der drohenden Vernichtung. Gleich einer-
erschreckten Herde Schafe haben sie sich zu-
sammengedrückt, ja man glaubt die dazwischen
liegenden Weinlauben und Orangengärteu
erzittern zu sehen unter der Gewalt des
Sciroccostnrms. — Es ist überhaupt ein be-
sonderer Triumph von Schönlebers Kunst,
daß er uns alles Menschenwerk so kleinlich
und erbärmlich zeigt neben der überwältigen-
den Großartigkeit des entfesselten Elementes.

Das Bild ist gerade darum in Beziehung auf
die Massenverteilung höchst belehrend, da dem
andringenden Meere weitaus der größte
Raum ans demselben gewährt ward, und der
stürmischen dicken Sciroccoluft mit ihren
schiveren Wolken der geringste, so daß wir
uns förmlich gedrückt fühlen dadurch. Dabei
ist die finstere Unruhe, das Halbzerstörte der
Häuser ebenso geeignet, die bange Stimmung
zu erhöhen, als die auf dem Ufersand zer-
stäubenden Wogen uns die zitternde Rast-
losigkeit und Aufregung der Flut sofort empfinden lassen.
Alles in allem ist es ein vollendetes Meisterwerk, was wir
da vor uns haben, das auf unser Gefühl ebenso aufregend
wirkt, als die Prüfung des Verstandes glänzend besteht.

Daß die Italiener selber ihrer Landsleute Charakter
immer noch am besten verstehen, besonders jenes größere
oder geringere Stück Bajazzo, welches in jedem steckt, das
zeigt uns wieder einmal mit köstlichem ^Humor Bechi
in seiner „Modell-Pause". Ob das nicht ein geborener
Bouffonc ist, der da während dieser Panse des Herrn
Professors würdevolle Manieren so Prächtig nachmacht,

2ZZ

der ihn nebst seiner Schwester diesen Morgen schon so
lange sitzen lassen? In seinen Lumpen fühlt er sich aber
auch so souverän, so ganz als freier Mann, wie das
ein deutscher Betteljunge nie thun würde, dem Sonnen-
schein und ein Stück Polenta freilich auch nicht zum Leben
genügen. Und eine Bewundererin seiner Talente hat er
ja auch schon in der über sein komisches Pathos lachenden
Genossin — was will er mehr? Die beiden sind in
ihrer Bedürfnislosigkeit und gesunden Jugendlnst wahr-
scheinlich viel glücklicher als der Engländer oder Deutsche,
der sie gerade heute früh von der spanischen Treppe ge-

holt hat, um ein langweilig sentimentales Bild aus ihnen
zu machen, wie es die brittischen Misses oder deutschen
Fräuleins nun einmal durchaus haben wollen, welche
Italien nur aus der „Corinna" der Frau von Staöl oder
ans George Sands „Consnelo" kennen gelernt und diese
Vorstellung in ihr sehr reifes Alter hinüber gerettet
haben. Merkwürdig bleibt da nur, daß die Italiener
selber von dieser gefühlvollen Auffassung ihrer schönen
Heimat nie etwas wissen wollen, wie denn die heute noch
in ihnen lebendige klassische Tradition Sentimentalität
absolut nicht kennt.


Porträt des Professors K. Wolff. Von Max Michael

ro

Die Am,st für Alle VI.
 
Annotationen