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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Pecht, Friedrich: Ludwig Lesker: gestorben 8. Dezember 1890 ; Nekrolog
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0314

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Ludwig Lesker

Schwerin, dem Meisterwerke des genialen Temmler bethäligen zu können. Tort erhielt er denn auch alsbald einen
deutlichen Begriff von dem Zusammenwirken aller Künste bei einem großen Bauwerk, nicht minder von der
Stellung, die der Dekorationsmalerei dabei znkam. Bald ward er der beste Gehilfe seines Meisters, der
einen großen Teil der dekorativen Arbeiten im Schlosse übernommen hatte, und lernte auch viele der dort be-
schäftigten Maler, wie Pfannschmidt,
Schlipke und Fischer re., kennen. Ebenso
studierte er in allen Nebenstunden die vielen
im Schlosse und in der Galerie befindlichen
Bilder. Porträte selbst in ganzer Figur in
Ol zu malen, hatte er ohnehin schon längst
angefangen, und in der unter Papes
Leitung stehenden Sonntagsschnle fortgesetzt.
Dieser hatte so viel Freude an dem streb-
samen Jüngling, daß er ihn, nachdem er
seine vier Lehrjahre beendigt, ganz zu sich
nach Berlin zog. Tort, wo noch immer
das Schinkelsche Griechentum herrschte, bc-
hagte es indes dem an Temmlers geniales
Schaffen gewöhnten jungen Mann ganz
und gar nicht, wenn er in der großen
Stadt auch seinen Jdeenkreis mächtig er-
weiterte. So vertauschte er denn bald Berlin
mit dem ihm viel sympathischeren Dresden,
wo er unter Bellmann im Schlosse
arbeitete. Natürlich erhielt er dort in der
herrlichen Galerie die mächtigste Anregung,
noch mehr aber in dem ihm ganz sym-
pathischen Zwinger, wo er denn auch eine
Vorliebe für das Rokoko unverlierbar faßte,
wenn ihn auch das Sempersche Theater,
als der erste große Renaissancebau in
Deutschland, ebenfalls sehr beschäftigte.

Um diese Zeit erhielt er nun einen
Ruf nach Mainz, wo er, im Dom be-
schäftigt, Gelegenheit erhielt, auch den ro-
manischen Stil kennen zu lernen. Dann
sollte er znm Militär assentiert werden,
ward aber —- wohl aus Rücksicht auf sein
Talent — als untauglich zurückgestellt und
benutzte dies, um nun nach Zürich zu
wandern, und dort Sempers Bauten näher
kennen zu lernen. In kleineren Villen auf
dem Lande herum ohne große Genugthuung
arbeitend, durchwanderte er wenigstens die
ganze Schweiz und wandte sich dann 1862
nach Stuttgart, wo unter der Einwirkung
einer Reihe talentvoller Architekten eben
eine neue Bauperiode begonnen hatte. Bei
Der Ackerbau, von Ludwig Lcsker Schmolz arbeitend, mit dem sich der hitzige

Nus d-m Schloß hcrrcnchicmsce Geselle aber bald schlecht vertrug, fing er

jetzt an, Blumenbouquets und Stillleben
aller Art für Kunsthändler zu malen, und verbrachte damit einen ganzen Winter. Dann wandte sich
der unruhige und viel verbrauchende Künstler in seiner umgreifenden Art nach Wien, wo er zwar ganz
und gar nicht seinem Talent entsprechend beschäftigt ward, aber doch mitten in jener, durch Van der Nüll
und Hansen cingeleiteten, von Ferstel, Schmidt und Hasenauer fortgeführten, großartigen Bauthätigkeir
eine mächtige Anregung empfing und im Belvedere wie anderwärts auch seine Kenntnis des Rokoko-
stiles erweiterte. Bon Wien wandte er sich nach Graz, um dann bald wieder nach Stuttgart zurückzukehren
 
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