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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Springer, Jaro: Die internationale Kunstausstellung zu Berlin, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0337

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Von Iaro Springer

26,

Häusliche Andacht. von R. Grob

Berliner gittern. Aunstausflellung ,S9,

Ein packendes Genrebild hat W. Firle ansgestellt: „Im Trauerhause". Im einfachen großen Dorfzimmer
liegt im offenen Sarg die Leiche eines jungen Mädchens, die Mutter in hilflosem Schmerz sitzt weinend
daneben, theilnehmende Freunde und Nachbarn sind herzugekommen und stehen lautlos neben dem Sarg, die
Kinder mit Kränzen sind nach Kinderart weniger ergriffen, sie sehen mit scheuer Neugier zu. A. Kellers
Ball-Soupö gibt einen seinen Lichtesiekt wieder. Die Tafel ist aufgehoben, die Gesellschaft ist in der prickelnden
sinnlich erregten Champagnerstimmung, die durch das Dämmerlicht des nur von Kerzenlicht beleuchteten
Zimmers noch vermehrt wird. Die Tänzerinnen von Fehr stellen ihre sündhafte Schönheit wohl auch nicht
ohne Absicht zur Schau. Harmloser sind die prächtigen Dorfschönen von Prölß. Eins der besseren Genre-
bilder sind auch die „Segelnüher" von G- Kühl. H. von Haber manns „Jägerin" im Kostüm des 17.
Jahrhunderts ist nicht ohne weiteres verständlich, aber so anmuthig, daß sie auch ohne verstanden zu werden,
erfreut. Verhältnismäßig wenig Bildnisse sind uns von den Münchenern eingesendet worden, darunter aber
einige Meisterwerke. Lenbachs Kaiserbild ist nur nicht nur das beste der ausgestellten — das will diesmal
wenig sagen — sondern so stupend geistreich gemacht, daß es auch ohne dieses günstige Verhältnis die größte Be-
wunderung verdient. Ebenso die ältere Dame mit markanten Zügen. Ganz anders wieder ist das vortreffliche
Damenportrüt von F. v. Ith de, ein schwarz gekleidetes junges Mädchen, daß in lässiger Haltung auf einem Lehn-
stuhl sitzt. Der durchscheinend weiße Vorhang vor dem breiten Fenster mildert das hereinfallende Helle Tageslicht.
Ein sehr gut gemaltes Porträt von bester dekorativer Wirkung ist das Damenbildnis von A. Keller. Die Dame
sitzt auf einem Sopha, die taubengraue Balltoilette läßt schöngeformte, schlanke Arme sehen, um die eine schwarze
Boa geschlungen ist. Sie sieht mit dem siegesgewissen Lächeln auf, das der vornehmen schönen Frau eigen
ist. Auch der sitzende Herr im Frack von Lepsius scheint gut zu sein, das Bild hängt leider unbequem hoch.

Otto Friedrichs Kanossa lehrt, daß auch die jetzt so übel beleumundete Historienmalerei in der
Münchener Schule noch mit Erfolg betrieben werden kann. Im Gegensatz zu andern Malern des viel be-
handelten Gegenstandes muß die stolze Stellung des Kaisers gerühmt werden, der durchaus nicht als flehender
Büßer erscheint und wohl auch nicht erschienen ist. Sehr gut sind die erfrorenen roten Hände der im Schnee
knieenden Begleitung des Kaisers.
 
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