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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Reiter, Ernst: Ein steirischer Bildner: Skizze
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0339

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Lin steirischer Bildner, von Lrnst Reiter

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und seine Steirerlieder singen. Sicher würde ans dem Hans ein regelrechter Nagelschmied geworden sein, wäre
ihm nicht ein Felsblock auf den Arm gefallen und ihm dadurch fast die Hand zerquetscht worden. Nun war
es zu Ende mit dem Nagelschmieden. Der Hans zog wieder ins Vaterhaus, und das lusüge Musikantenleben
von früher begann von neuem. Als die kranke Hand wieder heil war, begann er von neuem zu schnitzeln und
ging mit seiner Kunst sogar übers Land. Er schnitzelte gegen Kost und Taglohn in den Bauernhäusern an
Heiligen, was nur begehrt wurde. Auch als Taglöhner verdingte sich unser Künstler, wenn es mit der Musik
oder Schnitzerei nicht mehr recht gehen
wollte. So waren wieder Jahre ver-
gangen, und erst im Herbst 1870 trat
Hans bei dem Holzbildhauer Gschiel in Graz
in die Lehre. Aber da erging es ihm an-
fangs recht schlimm. Einen knieenden
Engel sollte er als erste Arbeit schnitzen,
aber der wurde derart „verschroppt", daß
die Gesellen dem Hans den Spottnamen
„der Schrapper" gaben und der Meister, da
es immer schlimmer wurde mit dem Lehr-
jungen nun gar 100 sl. Lehrgeld forderte,
wenn er den Burschen ferner noch behalten
solle. Der Kunstgewerbeverein, welchem
der Hans eine Probearbeit zur Zufrieden-
heit gemacht hatte, zahlte glücklicherweise
das Lehrgeld, und so durfte er bei dem
Meister bleiben und weiter schnitzen.

Im zweiten Lehrjahre nahm Brand-
stetter im Kunstgewerbe-Verein Zeichen-
unterricht, und mit immer größerem Eifer
widmete er sich vom frühen Morgen bis
in die späte Nacht dem erwählten Berufe.

Er zeichnete, komponierte, modellierte,
schnitzte, und immer mehr wuchs ihm die
Lust und Freude an seinem Schaffen. In
diesem gedrängten Aufsatze kann weder
von der weltschmerzartigen schweren Krank-
heit, die den jungen Bildner 1872 über-
fiel, und dem wachsenden Fortschreiten
seiner Arbeiten, noch von jener Zeit die
Rede sein, wo die echte wahre Liebe ihn
aus den Niederungen des Handwerks
emporführte zu den Höhen der reinen ide-
alen Kunst. Ebenso muß es versagt bleiben,
auch nur die namhaftesten Schöpfungen,
die in erstaunlicher Raschheit und Ver-
schiedenheit des Gegenstandes einander
folgten, hier zu erwähnen. Als Früchte
jener Sturm- und Drangperiode, in der
Liebesleid und Liebessreude, Hoffen und
Begeisterung seine Seele erfüllten, sehen
wir das Relief „Die Trösterin der Be-
trübten," eine Madonna und die Sta-
tuette des Frühlings in Buchsholz erstehen. Diese drei Arbeiten öffneten Brandstetter die Pforte des Grazer
Kunstvereins und fanden nicht nur bei der Kritik und beim Publikum ungeteilte Anerkennung, sondern auch gute
Käufer. In einer edlen Dame fand der junge Bildschnitzer eine große Wohlthäterin, die denselben zu höherem Streben
anspornte. Ununterbrochen arbeitete Brandstetter an seiner Ausbildung weiter und schuf nebstbei mit staunenswertem
Fleiß Holzskulpturen aus der profanen und kirchlichen Welt. Ein Relief aus Birnholz „das Opfer der Witwe",
eine meisterhafte Arbeit, die im Wiener Künstlerhause und in Ischl ausgestellt war, verschaffte dem jungen
Künstler die Gönnerschaft des damaligen Oberstkämmerer des Kaisers, Grafen Crenneville, welcher die Auf-

WaLmma. von Hans Brandstetter
 
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