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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Unsre Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0365

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Unsre Bilder, vom Herausgeber

28H

noch dadurch, daß er die Dämmerung und den Mond-
aufgang zur Erhöhung der mystisch-traulichen Stimmung
benützt. Ebenso war ihm die Mutter durchaus Haupt-
sache, während die Italiener fast regelmäßig den Accent
auf den göttlichen Knaben legen, ihn zur Haupt-
person machen, vor der die Frau Mutter bewundernd
auf den Knien liegt, was ihr seither gar viele weniger
heilige Mamas bei ihren Sprößlingen nachzumachen und
auch ganz unglaublich viele göttliche Eigenschaften an
denselben zu entdecken Pflegen. Unsre allerliebst blond-
haarige Madonna nun freut sich offenbar blos, daß ihr

Krauskopf einen so echt deutschen Durst hat, ohne ihm
deshalb noch weitere große Eigenschaften anzudichten, was
ihr aber allerliebst steht, wie denn das ganze Bild etwas
entschieden correggeskes hat, was seinen Wert gewiß
nicht vermindert. Weit eher macht das den Wunsch rege,
daß auch Andre häufiger suchen möchten, an so leuchtende
Vorbilder zu erinnern.

Das thut nun wenigstens Herr Albert Neuhuys
bei seiner Mutter mit einem sehr profanen Bambino ganz
gewiß. Denn er gemahnt damit direkt an Rembrandt
und dessen so anspruchslose und doch magisch geheimnis-
volle Art. Er verdankt dieser Ähnlichkeit denn auch die

große goldene Medaille auf unsrer letzten Jahresausstellnng.
Tenn für ihre dicke Nase wird sie diese anspruchslose
Kartoffelschälerin doch kaum erhalten haben, obwohl jetzt
bei uns in dieser Art allerhand möglich ist. Immerhin
muß man es den Holländern zum Ruhme anrechnen,
daß sie nicht müde werden, ihre großen Ahnen und vor
allem den Mann vom Rhhn zu studieren, während man
bei uns die mit der Laterne suchen muß, welche sich noch
erinnern, daß wir einst einen Dürer und Holbein oder
gar einen Meister Stephan besaßen. Ein Volk aber,
welches keinen Respekt vor seiner Vergangenheit hat, besitzt
schwerlich eine große Zukunft. Tenn diese wird
am letzten Ende doch nur dadurch verbürgt, daß
wir die guten nationalen Eigenschaften, die
wir wirklich besitzen, entsprechend dem Gesetze
der Vererbung immer weiter ausbilden und
darin zuletzt allen andern überlegen werden.
Aber gewiß nicht darin, daß man alle vierzig
oder fünfzig Jahre ein ganz neues Ideal in
Kunst, Wissenschaft oder Politik der Fremde
entlehnt, ohne nur zu fragen, ob es zu un-
serm Charakter, unsrer Art von Begabung,
unfern sozialen Bedingungen Paßt. Sonst
hätten wir schwerlich in der Mark den
griechischen Stil, in München die strenge
Schönheit der Italiener oder in Schwaben
die leichte Grazie der Franzosen nach-
geahmt!

Daß unsre künstlerischen Eigenschaften
vor allem im Reichtum der schaffenden
Phantasie, in der gedankenvollen Vertiefung
und der Verknüpfung der einzelnen Natur-
erscheinungen bestehen, daß wir die reine
Freude an der schönen Form wie sie die ro-
manischen Völker haben, gar nicht kennen,
sondern uns dieselbe immer erst beseelen
müssen, wenn sie uns recht interessieren soll,
das zeigt uns wieder einmal recht der köst-
liche Kinderfries Geigers, den er für das
Thiele-Winklersche Haus in Berlin modelliert.
Offenbar bezieht er sich auf die Beschäf-
tigungen, Liebhabereien und wohl auch auf
die verschiedenen Bernfsarten der Eigentümer,
denn wir finden da die lieben Kleinen nach-
einander mit Schiffahrt, Fischfang, Landban
und Erntefest wie Früchteschleppen beschäftigt,
zu denen sich dann Weinlese, Hirtenleben
und Tanz gesellen, so daß man auch ans die
vier Jahreszeiten raten könnte, wenn nicht
der Winter fehlte. Geiger entwickelt
aber in diesen Schilderungen einen Reich-
tum der gestaltenbildenden Phantasie, einen köstlichen
Humor und einen Sinn für malerische Wirkungen
in der Skulptur, die dem offenbar noch jungen
Künstler alle mögliche Ehre machen und ihm noch eine
großeZukunft nach dieser idealen Seite der Kunst hinver-
sprechen. Leider giebt die Photographie, der unsre
Reproduktion zu Grunde liegt, diese hervorragend liebens-
würdige und geistvolle Arbeit nicht so wieder, um ihre
pikanten Schatten- und Lichtwirkungen, wie das ganze
geistreiche Machwerk zu ihrem Rechte kommen zu lassen.
Immerhin wirkt sie auch so noch genug, um das Talent
des Künstlers bewundern zu lassen. —

Porkräk des Fräulein F... P- von Leon Priou

pariser ^alon der Lhamxs Llysees 1891
 
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