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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 6.1890-1891

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Heilbut, Emil: Eine Kunstkritik in verteilten Rollen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10736#0376

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Eine Kunstkritik in verteilten Rollen

2A

Ausgabe liefern, ohne Aufhören jedes Jahr dieselbe Chanson
mit immer weniger Anstrengung und Sorgfalt bringen
würden, so daß man am Schlüsse Scham empfindet, einst
diese Chanson geliebt zu haben, an der so wenig gewesen
und die durch Variation so banal gemacht worden. Ist
bis hierhin aber die Kritik des Herrn von Whzcwa doch
nur wie gewöhnlich die Kritiken sind, so setzt das Un-
gewöhnliche, Bemerkenswerte jetzt ein: der Kritiker steht
vor dem Ausstellungsgebände, bemerkt die Häßlichkeit des
Gebäudes, glaubt, es werde zu langweilig sein, den Salon

dessen Stillleben einst so lebendig waren nnd jetzt so
tot sind. Rochegrosses Sardanapal ist dem Einen wie
ein Winkel ans dem Grand Magasin du Louvre erschienen,
dem Andern hingegen mehr wie ans dem Bon Marchö.
Ter Eine findet Jean Paul Laurcns' großes Bild ge
wissenhaft behandelt, der Andre meint, es ist ohne In-
telligenz behandelt nnd das Leben so gut daraus sort-
geblieben wie die Farbe. Lobt der Erste den Benjamin
Constant, so vermag der Zweite diesem Orientalisten nicht
zn verzeihen, daß er in seine Porträts eine Vulgarität

luthrr im Värrn ;u Jena mit den schweizer Studenten, von Paul o. hu mann

(j?hotographieverlag von Gustav Schauer in Berlin)

zu sehen nnd geht anstatt in das Haus in sein Gegen-
über, in das außerordentlich nnd unbedingt gute Re-
staurant Ledoyen.

Tas Restaurant ist noch öde; er seht sich ganz
nach seinem Wohlgefallen nnd hat gegenüber seinem
Tische, vor ihrem Bnrean, eine junge Kassiererin mit
blauen Augen; durch die Thür treten zwei sehr ele-
gante Männer, dekoriert nnd von Kunst sprechend —
von Kunst so ohne Kompetenz sprechend, daß es Maler
sein müssen; sie nehmen Platz, sic reden laut, nnd
sie sprechen nur von den Bildern von bekannten Blalern,
von Malern, die dekoriert sind; Bouguercau wird
strenge beurteilt, ebenfalls Gc'romc, ebenfalls Vollon,

bringe, die man seinen großen Sccnen allein reserviert
glaubte. Ter Eine fand eine Kuh von Julien Tnprö zn
blank, zn leuchtend, nnd die Landschaft, in welcher sie
sich befindet, selbst für eine Kuh zn grün — der Zweite
fand das Bild -ncliniraUle-; doch ging es fort das
Zanken dieser beiden und beraubte Herrn Whzewa
jenes Restes von Entschiedenheit, den er in seinen Ge-
danken etwa noch gehabt hatte.

Tann kam ein junges Ehepaar in das Restaurant
herein, und auch dieses, platznchmend in der Nähe
deS Kritikers, teilte sich jene Eindrücke mit, die es so-
eben im Salon empfangen. Im Gegensätze zu den
beiden Malern war es eines Sinnes bezüglich der
 
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